Der bestrafte Tyrann - Sagenerzählung von Tante Klärchen, aus der Erinnerung nachgedichtet
Erysichthon war Tyrann,
durch und durch ein böser Mann.
In Thessalien der Despot
sah beim kleinsten Anlass rot.
Einmal ließ er, wie gemein,
in Demeters heilgem Hain,
an der heiligsten der Stellen,
eine ihrer Eichen fällen.
Rief die Göttin: „Diese Schmach
trage ich dir Frevler nach!
Ewge Unersättlichkeit
hex ich dir ins Eingeweid!
Doch was du verzehrest auch,
Hunger! Hunger! schreit dein Bauch!“
Und tatsächlich, so geschah's,
dass der Herrscher fraß und fraß.
Anfangs wählte er noch aus:
Krebs und Hummer gabs zum Schmaus,
ließ sich Köstlichkeiten schmecken
Austern, Trüffeln, Weinbergschnecken.
Importierte Bärentatzen
ließen den Tyrannen schmatzen.
Auch hat er mit Wein begossen
frisch gegrillte Haifischflossen.
Alles ohne satt zu werden:
Rinder, Schafe, ganze Herden.
Blumenkohl und Sauerkraut
hat er zentnerweis gekaut.
Bis er schließlich alles nahm,
was ihm vor die Zähne kam.
Löwen, Tiger, Elefanten,
Socken, Schuhe, Folianten,
Krokodile und Giraffen,
Stachelschweine, Zebras, Affen…
Endlich hat, so musst es kommen,
er sich selber vorgenommen,
und bevor der Tag gegraut,
hat der Herrscher sich verdaut.
Tief im Orkus, wo es dampft,
er noch heute weitermampft!