Autor Thema: Ruf aus dem Stein  (Gelesen 1041 mal)

Erich Kykal

Ruf aus dem Stein
« am: August 24, 2013, 16:21:12 »
Schmerz, du allein kannst mein Leiden verringern,
schleife die Festungen, die ich ersann!
Greif in mein Zaudern mit wühlenden Fingern!
Quäl mich, damit ich mich fühlen kann!

Trag meine Träume in Bilder von Morgen,
löse die Fesseln und brich meinen Bann!
Schlag aus dem Kopf mir die Kruste der Sorgen!
Schneid mich, damit ich verbluten kann!

Bring mich zurück nach dem brennenden Leben,
tauch meine Seele in lodernde Glut!
Lass ihre Asche ins Leuchten entschweben!
Tu mir dies alles - dann tust du mir gut!
« Letzte Änderung: September 02, 2013, 16:51:22 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Daisy

Re:Ruf aus dem Stein
« Antwort #1 am: August 25, 2013, 18:50:25 »
Hallo Erich,

es tut mir direkt weh, diese Verse, die solche Qualen vermitteln zu lesen und mir zu verinnerlichen!

Der "Ruf aus dem Stein" ist ein einziger Hilferuf und berührt mich sehr.

Unglaublich gut!

LG Daisy

Erich Kykal

Re:Ruf aus dem Stein
« Antwort #2 am: August 26, 2013, 01:56:01 »
Hi, Daisy!

Ich wollte aus der Sicht eines der Welt gänzlich Entwöhnten schreiben, eines quasi Versteinerten, der sich nach dem Leben sehnt, wie er es einst kannte.
Nicht aus zweiter Hand aus dem Fernseher, sondern das echte, direkte, pure Leben mit all seinen Höhen und Tiefen, den Gefühlen, der Unmittelbarkeit und so.

Manche sind so in sich selbst gefangen, dass nur Schmerz ihnen noch zeigt, dass sie lebendig sind, intensiv fühlen können. Ich spreche von seelischem Schmerz, der reinigt wie ein Fegefeuer. Natürlich gibt es auch die körperliche Variante: Ritzer und Selbstverstümmler, die gehen einen noch direkteren, aber schädlichen Weg, und die Gründe sind meist weniger Sehnsucht als vielmehr nackte Verzweiflung und Selbsthass aus vielerlei Ursachen.

In Ansätzen bemerke ich solch eine Petrifizierung des Daseins auch bei mir, daher die Thematik: Es gibt so gut wie nichts mehr, was mir noch Freude macht, ein Erstarren in Ritual und Gewohnheit, Bevorzugung der Langeweile und Bequemlichkeit, Verlangsamung des Denkens, Ziel- und Willenlosigkeit, Motivationslosigkeit, Trägheit, Lustlosigkeit... die Liste ist lang.
Ob das eine Alterserscheinung ist oder eher persönliche psychische Ursachen hat, muss ich noch herausfinden. Aber keine Sorge - ich steuere gegen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Daisy

Re:Ruf aus dem Stein
« Antwort #3 am: August 27, 2013, 19:05:48 »
Hallo Erich,

na, das hoffe ich doch, dass Du dagegen steuerst! Da mach ich mir schon Gedanken und auch Sorgen, wenn ich von solchen Geschichten höre!

Da wird auf jeden Fall wieder mal eine ausgedehnte Kaffeeratscherei fällig und ein "wildes Essen" wartet auch noch im Hintergrund.  :)

LG Daisy

cyparis

Re:Ruf aus dem Stein
« Antwort #4 am: September 02, 2013, 10:51:51 »
Gemahnt mich an das "Schmerz"-Gedicht von Ch. Morgenstern.
Ein höheres Lob steht mir nicht zur Verfügung.


Lieben Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

gummibaum

Re:Ruf aus dem Stein
« Antwort #5 am: September 10, 2013, 20:12:38 »
Die eigene Versteinerung rückgängig zu machn, ist eines der Bedürfnisse, wo wir uns im Stein finden, uns aus ihm heraus melden.  Das Gedicht ist überaus gelungen, Erich. Danke.

LG gummibaum

Erich Kykal

Re:Ruf aus dem Stein
« Antwort #6 am: September 11, 2013, 08:30:53 »
Hi, gum!

Angeregt wurden diese Zeilen vom Lied "Löwin" von Heinz Rudolf Kunze (der lyrischste Liedermacher deutscher Sprache!)

http://www.youtube.com/watch?v=l4Ksv1W-HOM

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.