Autor Thema: Wir sind viele  (Gelesen 1007 mal)

Erich Kykal

Wir sind viele
« am: August 27, 2013, 12:21:34 »
Was sind wir doch für vage Kreaturen!
Schwer Depressive oder Frohnaturen,
sensilble Sanfte oder grobe Knochen,
die alle hier ihr Seelensüppchen kochen.

Entlaufne Kinder und versteinte Alte,
Entgegenkommer, hoffnungslos Verknallte,
verrückte Spinner oder Menschenhasser,
Entgleiste, Schweiger und Geschehenlasser.

Verwegene, Versonnene, Verträumte,
Vernünftige und gründlich Aufgeräumte,
an etwas glauben Wollende und Kalte,
in denen lang schon jeder Ruf verhallte.

Auch Egomanen, Räuber wie Beraubte,
Vergessene, Verlorene, Verstaubte,
die immer noch auf große Chancen hoffen,
sich selbst verschlossen, doch für alles offen.

Und wenn ich dies, der ich mich selbst ergründe,
schon alles nur im eignen Wesen finde -
was will ich hoffen, jemals zu erkennen,
wer jene sind, die mich beim Namen nennen...
« Letzte Änderung: August 27, 2013, 12:30:08 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Daisy

Re:Wir sind viele
« Antwort #1 am: August 27, 2013, 19:41:00 »
Hallo Erich,

bei solchen Themen fühle ich mich gleich daheim, denn da kann ich mich umgehend selbst entdecken und das mehrfach!  :D

Allerdings bin ich sicher, dass es sehr viele gibt, die nicht im Traum daran denken sich selbst ergründen zu wollen,
da sie ganz und gar von sich überzeugt sind und dann auch noch meinen, dass sie alle anderen genau kennen und durchschauen.

Du zählst eine ganze Menge unterschiedlichster Charaktere auf, ganz erstaunlich was es da alles gibt, und dafür eignen sich die Paarreime ganz hervorragend.

Das Gedicht ist toll, gefällt mir!  :)

LG Daisy

Erich Kykal

Re:Wir sind viele
« Antwort #2 am: August 28, 2013, 01:04:06 »
Hi, Daisy!

Ist ja eine kleine Falle! Erst glaubt man, der Autor zählt bloß alle möglichen menschlichen Vielfältigkeiten in Charakter und Schicksal auf, aber die letzte Strophe klärt, dass sich all das in einem einzigen Bewusstsein abspielt - sozusagen viele Rollen, die man spielt, Seelenzustände, Gefühlsverfassungen, usw...

Jeder weiß, wie bunt, skurril, stimmungs- und situationsbezogen es in uns zugeht - aber andere (die wir ja auch nur in einem bestimmten Zuatand kennenlernen) glauben wir abschätzen zu können, sobald wir vertrauter werden, so als wären wir unfähig, von der eigenen inneren Vielfalt auf andere zu schließen - oder schließen zu wollen!

Die Stabilität dieser Illusion scheint uns lieber zu sein als die Einsicht, das Vertrauen und Sicherheit keine absoluten Konstanten in Beziehungen sein können!

Also beurteilen wir andere an wenigen simplen Parametern entlang und nennen es "Gefühl", anstatt uns klarzumachen, dass auch sie vielgestaltig sind wie wir!
Wer also sagt: Ich kenne dich! - der hat noch nicht wirklich darüber nachgedacht, oder er lügt.

Anmaßung ist es aber im seltensten Falle. Wir sind eben so gestrickt, und müssen es vielleicht sogar sein, damit Gesellschaft und Gemeinschaft überhaupt funktionieren können!

Danke für deine Gedanken!

LG, eKy
« Letzte Änderung: September 02, 2013, 17:37:27 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Wir sind viele
« Antwort #3 am: September 02, 2013, 10:56:20 »
so als wären wir unfähig, von uns auf andere zu schließen - oder schließen zu wollen!

Ich selbst bin eher im Gegenteil zuhause, denn ich bin immer wieder versucht, von mir auf andere zu schließen.
Die Belehrung eines Besseren folgt sehr oft auf dem Fuß.

Diese Bandbreite finde ich nicht in mir (dafür bin ich zu klein, zu enggeistig), aber Deine Palette mit der Selbsterkenntnis gefällt mir ausnehmend gut.

Herzlichen Gruß, lieber Erich,


von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:Wir sind viele
« Antwort #4 am: September 02, 2013, 17:44:48 »
Hi, Cypi!

Bei diesem Passus ging es nicht um Menschenanalyse, sondern darum, dass wir scheinbar nie von der eigenen inneren Vielfalt auf andere schließen. Diese beurteilen wir meist recht rasch und sehr...2-dimensional, so als könnte sonst keiner außer uns so vieldimensional und tiefgründig sein!
Die Kernaussage der Conclusio ist ja, dass wir einander nie wirklich (er)kennen. Wie denn auch, wenn wir selbst die eigene Tiefe und Vielgestaltigkeit weitgehenst ignorieren! Zudem extrapolieren wir sie nie, wenn wir andere beurteilen und einschätzen.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Wir sind viele
« Antwort #5 am: September 02, 2013, 19:22:31 »
So sehe ich Dich, mich jedoch nicht.
Ich kenne alle meine flachen Flächen, untiefen Tiefen und das untere Mittelmaß, in dem ich mich seit vier Dezennien eingerichtet habe und einigermaßen behaglich fühlen darf.
Der Griff nach den Sternen liegt weit hinter mir.

Lieben Gruß!

Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
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Erich Kykal

Re:Wir sind viele
« Antwort #6 am: September 02, 2013, 21:44:16 »
Sie lasen den heurigen Beitrag des Saarlandes zu den alljährlichen deutschen Tiefstapelmeisterschaften in der Klasse "Licht unter den Scheffel stellen"... ;D ;)
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Wir sind viele
« Antwort #7 am: September 03, 2013, 05:59:21 »
Spotte nicht, mein Lieber!
Ich (er)kenne mich selbst.... :)
Der Schönheit treu ergeben
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