Autor Thema: Letzte Stunden  (Gelesen 930 mal)

galapapa

Letzte Stunden
« am: September 26, 2013, 15:22:31 »
Schon lang trug er am Leben sichtbar schwerer,
er schleppte es durch seine letzte Zeit,
oft seltsam still und irgendwie bereit,
die alten Augen scheinbar müd und leerer.

Bedrücktheit lag in jenen letzten Räumen
als er in seinem Lieblingsstuhl versank.
Schon lange kalt, der Tee, von dem er trank,
er spürte, es gab nichts mehr zu versäumen.

Die Stille offenbarte die Gedanken,
es war wie eine fremde Art von Scham,
die zögernd aus den müden Blicken kam.
Die alte Seele schien in Furcht zu wanken.

Mein Herr, ist meine Zeit denn nun gekommen?
Dann nimm sie von mir, diese schwere Last.
Ich warte hier, geduldig und gefasst,
wenn auch in Ungewissheit noch beklommen.

Die Uhr war abgelaufen und blieb stehen,
als wär die Zeit nun plötzlich nichts mehr wert
und auch die letzte Stunde aufgezehrt.
Da war ein Hauch erlösendes Verstehen.
« Letzte Änderung: September 28, 2013, 16:46:58 von galapapa »

Daisy

Re:Letzte Stunden
« Antwort #1 am: September 27, 2013, 19:08:40 »
Lieber Galapapa,

du verstehst es ganz wunderbar diese Situation so anschaulich und bildlich darzustellen, findest genau die richtigen Worte, dass ich alles klar und deutlich vor mir sehen kann.
Die gekonnt formulierten Verse ziehen mich auch gefühlsmäßig ganz in den Ablauf hinein und es fällt mir nicht schwer in das LyrIch hineinzuschlüpfen, um diese letzten Stunden nachzuempfinden.
Traurig und berührend und auch sehr schön!

Es tut mir leid, dass ich keine großartigen Textanalysen vornehmen kann, denn dafür fehlen mir die nötigen Grundlagen. Ich kann immer nur meinem Empfinden folgen, das mir sagt, ob mir ein Gedicht gefällt, mich berührt und sich gut anfühlt, oder ob es mich nicht besonders bewegt. Ich hoffe, lieber Charly, dass dir auch Kommentare wie diese willkommen sind!
Letztendlich schreiben und präsentieren wir, denke ich mal, unsere Gedichte, um zu sehen wie sie bei den Lesern ankommen und um Freude daran zu haben.  :)

Sehr gern gelesen!

Herzlichen Gruß von
Daisy

cyparis

Re:Letzte Stunden
« Antwort #2 am: September 28, 2013, 12:17:34 »
Lieber Galapapa,

nach Tee vermisse ich ein Komma.
Das vorher ist m.E. entbehrlich.
Der hohle Blick sagt mir nicht zu, auch die trostlose Uhr nicht.

Ausnahmsweise berührt mich ein Gedicht von Dir nicht bis ins Innerste, aber ich weiß nicht, was diese Distanziertheit hervorruft.


Herzlichen Gruß
von
Cyparis

Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

galapapa

Re:Letzte Stunden
« Antwort #3 am: September 28, 2013, 16:38:43 »
Liebe Daisy,
ich danke Dir herzlich für Dein schön formuliertes Lob!
Ja, die Verse transportieren Trauriges, aber auch Erlösendes und Zuversicht, wenn auch nur zwischen den Zeilen.
Liebe Daisy, die Wiedergabe Deiner Empfindungen beim Lesen meines Textes ist mir um ein Vielfaches wichtiger, als exakte Analysen. Mir liegt vor allem daran, die Leser mitzunehmen und zu berühren, viel mehr, als irgendwelchen wissenschaftlichen Vorgaben zu genügen.
Ich möchte, dass meine Gedichte in ihrer Form gefällig lesbar sind und einen ansprechenden Rhythmus haben. Dazu ist bis zu einem gewissen Grad z.B. Metrik wichtig, aber auch nur bis zu diesem Punkt.
Vielen Dank nochmal und liebe Grüße!
Galapapa

Liebe Cyparis,
danke für Deine Hinweise und kritischen Anmerkungen. Im Wesentlichen gebe ich Dir Recht und werde auch entsprechende Änderungen vornehmen. Aber sieh selber.
Die Distanziertheit könnte einerseits von Deiner Stimmung erzeugt werden, anderseits aber auch dadurch, dass Du etwas in den Text interpretierst, das gar nicht gemeint war.
Ich beschrieb die Situation eines alten Mannes, den ich kenne und unterstütze.
Er hatte vor Kurzem einen gesundheitlichen Tiefpunkt erlebt und ich beschreibe hier keinesfalls die Stunde des Todes sondern nur das Erlebnis von dessen Nähe. Die Uhr kann da vielleicht gedanklich irreleiten.
Danke nochmals für Deine Hilfe, das Gedicht zu verbessern und liebe Grüße!
Galapapa