Autor Thema: Besitzergreifend  (Gelesen 715 mal)

Erich Kykal

Besitzergreifend
« am: August 30, 2013, 01:28:46 »
Du sagst, du lebst nur für mich und verschließt alle Türen,
denn du wüsstest viel besser als ich, was gut für mich sei.
Mit Engelsgeduld brichst du all meine Träume entzwei,
erwürgst meine Zukunft mit Güte, erstickst meinen Schrei
mit gut gespieltem Verständnis und heiligen Schwüren.

Du schenkst mir dein Lächeln und fragst mich: Ist das denn nichts?
Beteuernd, du liebst mich, musst du mich dennoch besetzen,
als hätten wir Krieg. Du wolltest mich niemals verletzen,
und atmest doch, trunken von Macht, was von meinem Entsetzen
sich flüchtig verfängt im Verdunkelten deines Gesichts.
« Letzte Änderung: November 15, 2013, 21:19:26 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

galapapa

Re:Besitzergreifend
« Antwort #1 am: August 30, 2013, 08:42:32 »
Hallo Erich,
Du scheinst mit verschiedenen Rhythmen zu spielen. Ich find's gut; nicht immer der gleiche Trott.
Der Rhythmus hier passt sehr gut zur Aussage; es ist, so glaube ich, vorwiegend ein Daktylus, der hier das Anklagende gut zum Ausdruck bringt.
Vom Inhalt her würde ich es als Klage eines Heranwachsenden gegen ein Elternteil sehen; es steckt Einiges an pubertärem Empfinden in den Versen.
Liege ich da richtig?
Herzliche Grüße!
Charly

Erich Kykal

Re:Besitzergreifend
« Antwort #2 am: August 31, 2013, 09:44:31 »
Hi, Charly!

Nein, pubertär ist da leider nichts! Es geht um ein Paar, dessen einer Partner besitzergreifend ist und das Lyrich eifersüchtig vereinnahmt. Er entmündigt es durch herablassende Güte, ein Kontrollfreak, der nicht lieben kann, bloß "besitzen"! Mit unterschwellig drohender häuslicher Gewalt und hunderttausend "gewichtigen" Argumenten treibt er seine "Beute" in totale Abhängigkeit, weil er sein Selbstwertgefühl von dieser Macht abhängig gemacht hat. Ich habe solche Paare gekannt - der passive Part hatte seine "Rolle", aber keine Stimme - meist beendete der Dominante sogar die scheu gewagten Sätze des Unterdrückten! Das Schlimmste: Der "Herr im Haus" glaubt meist tatsächlich, dass er das Recht hat, die Mündigkeit seines Partners zu "verwalten", er meint es tatsächlich "besser zu wissen" und redet sich und der Welt ein, dass er ja nur das Beste für ihn wolle! Dann hört man gern so Argumente wie: "Das hast du dir selbst zuzuschreiben!" oder "Das tut mir mehr weh als dir!", die die Überlegenheitsberechtigung des "Ausübenden" weiter zementieren sollen.
Natürlich kann so ein Muster auch bei Kinder"erziehung" vorkommen, aber hier ist dies nicht gemeint.
Klar könnte man nun fragen, warum sich ein derart unterdrückter Partner nicht einfach aus dieser schädlichen Beziehung löst. Das hat natürlich vielerlei Gründe und ist bei weitem nicht so einfach, wie sich das manch autarker Geist vielleicht vorstellen will. Viele Menschen sind beziehungsabhängig und haben tatsächlich mehr Angst vor dem Alleinsein als vor dem schlichten Funktionieren in so einer unterwerfenden Beziehung. So manchen gibt so ein Verhältnis der eigenen Entwerung und Entwaffnung auch einen extremen erotischen Kick. Viele scheuen auch die Eigenverantwortung, die man ihnen oft von klein auf aberzogen hat. Tatsächlich spielt auch echte Liebe zu so einem Scheusal ein Rolle. Und das sind nur einige wenige der potentiellen Ursachen!

LG, eKy
« Letzte Änderung: Oktober 25, 2020, 17:56:13 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Besitzergreifend
« Antwort #3 am: September 02, 2013, 10:07:44 »
Lieber Erich,


die schlimmste "Inbesitznahme" ist die, die sich in das Mäntelchen der Liebe, des Wohlwollens und der Besorgnis kleidet.

Gut gemacht!


Herzlichen Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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