Autor Thema: Noch ein Sommer  (Gelesen 685 mal)

Erich Kykal

Noch ein Sommer
« am: September 11, 2022, 10:43:46 »
Sachte raunend rauscht der Regen nieder,
mild noch wie des Herbstes erstes Ahnen,
aber dennoch wie ein frühes Mahnen:
Noch ein Sommer geht und kommt nicht wieder.

Dutzende bereits trug ich zu Grabe,
barg sie im Erinnern wie in Schnee;
so als sei, was ich davon noch habe,
kalt geworden unter stillem Weh.

Ewig flutend reißt der Strom der Tage
mich mit sich hinfort, bis ich ertrinke,
endlich fühllos in die Tiefe sinke,
schwer von Schulden, die ich mit mir trage.

Leben gibt und nimmt, und es macht müde,
doch der Hunger bleibt uns ewig treu,
macht Zufriedenheit zur Attitüde,
treibt uns weiter, malt das Alte neu.

Sachte raunend rauscht der Regen nieder,
treibt und untermalt mir die Gedanken,
die von je mit ihm zur Erde sanken.
Noch ein Sommer geht und kommt nie wieder.
« Letzte Änderung: November 23, 2022, 18:31:09 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Noch ein Sommer
« Antwort #1 am: November 23, 2022, 16:11:18 »
Hi eKy!
Der Sommer ist nun schon eine Weile passé, aber Dein Gedicht liest sich auch im (verregneten) Herbst sehr gut! :)
Dabei hast Du eine sehr interessante Form gewählt: Die erste und letzte Strophe (mit dem Refrain der jeweils ersten und letzten Strophen-Zeile) sind in einem umarmendem Reimschema gestaltet, während die anderen Strophen im Kreuzreim verfasst sind.
Dieser Reimwechsel unterstreicht für mein Empfinden sehr schön den zirkelförmigen Aufbau des Gedichts. Die letzte Strophe greift die Gedanken der ersten Strophe im Sinne der Wiederkehr des immer Gleichen auf.
Allerdings muss man sagen, dass hierbei die letzte Strophe auch eine Entwicklung markiert: Was sich in der ersten Strophe noch "mild" andeutete und nur ein "erstes Ahnen" war, ist in der letzten Strophe zu "Gedanken" gereift, die das LI als Bestandteil des Weltkreislaufs begreifen; und diese Gedanken sinken wie die Regenschauer zur Erde, werden wieder eins mit ihr.
Sehr gerne gelesen!
S.


Erich Kykal

Re: Noch ein Sommer
« Antwort #2 am: November 23, 2022, 18:35:38 »
Hi Suf!

Deiner akkuraten Analyse habe ich nichts hinzuzufügen. Ein weiteres Herbstgedicht mit philosophischen Hintergrund und Aufhänger.

Zu erwähnen bliebe bestenfalls noch der regelmäßige Wechsel des Kadenzenschemas ...  ;) ::)

Vielen Dan kfür deine kundigen Einlassungen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.