Autor Thema: Quo vadis, mein Volk?  (Gelesen 754 mal)

Erich Kykal

Quo vadis, mein Volk?
« am: Februar 21, 2022, 10:45:09 »
Was bringt's, wenn unsre glatte Oberfläche
von edlen Werten glänzt und hohen Reden,
die Freiheit oder Menschenrecht beschwören,
wenn unterhalb dieselbe alte Schwäche
Verführte willig macht mit Glück für jeden,
wenn sie nur endlich auf die Kalten hören,

die von des Volkes „wahren Werten“ schwärmen,
der Rasse Heiligkeit, sie einzugrenzen,
um alle Farben in Schwarzweiß zu wandeln,
und endlich, wenn sie laut genug nur lärmen,
die Mär vom neuen Lichte zu kredenzen,
wenn wir wie sie nur herz- und hirnlos handeln,

die simple Lösung suchen und vertreten,
um eifersüchtig nur das Eigene zu sichern,
den kleinsten Horizont sich zu erhalten.
Erkennen wir den Gott, zu dem sie beten?
Verbannen wir Dämonen, wenn sie kichern?
Und scheitern wir, wann immer wir gestalten?
« Letzte Änderung: Februar 21, 2022, 10:48:55 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Quo vadis, mein Volk?
« Antwort #1 am: Februar 21, 2022, 23:14:13 »
Trefflich, lieber Erich,
 
dieses als Bündel von Fragen gestaltete Gedicht, das den schön bemäntelten faulen Untergrund verführbarer eigener Gesellschaft anprangert. Immer wieder verführbar, auf vereinfachende  Theorien und Feinbilder hereinzufallen und Glück von einer ausmerzenden Rassenhygiene zu erwarten. Dabei steht hinter dem Faschistoiden vor allem Besitzsicherung in der herrschenden Schicht.
 
Die Verse verketten zwischen weitgesteckten Reimen und über die Strophenränder hinweg immer neue Gestalten, in denen sich Engstirnigkeit entfaltet/austobt und fragen schließlich nach der Gottheit, auf deren Altar alle Vernunft so bereitwillig geopfert...  (der Götze Mammon).

Sehr gern gelesen.
LG g

Erich Kykal

Re: Quo vadis, mein Volk?
« Antwort #2 am: Februar 22, 2022, 11:44:28 »
Hi Gum!

Danke für die vertiefenden Gedanken!

In einem Punkt wage ich allerdings zu widersprechen, respektive zu erweitern: Faschistoides, rassistisches und fremdenfeindliches Denken ist mitnichten ein mehrheitliches Privileg von Eliten und Reichen - ich fürchte, sogar noch mehr Dumme und Brutale finden sich in den Reihen der Ärmsten, Bildungsfernen und im unteren Mittelstand: Diese sind entweder dumm und brutal genug, um sich von so einer Denkungsart bedingungslos anzuschließen, weil die dummen und brutalen Argumente und Behauptungen ganz auf ihrer Linie liegen, oder sie sind schwach und ängstlich genug, im (stärksten, weil rücksichtslosesten) Rudel Schutz zu suchen und an dessen Angstverbreitung und scheinbarer Macht zu partizipieren, oder soziopathisch, berechnend und manipulativ genug, um sich Machtgewinn, Reichtum und Karriere zu erhoffen, wenn sich ihre "Bewegung" politisch (wieder mal) durchsetzt, und zwar einzig deshalb, weil Macht und Reichtum in totalitären Systemen am leichtesten und schnellsten durch Rücksichtslosigkeit zu gewinnen sind.

Die Blöden, Bullies, Memmen, Karrieristen und Psychopathen der Unterschichten sind also mindestens ebenso leicht in diese Richtung zu schubsen wie die arrivierten und egomanischen Macht- und Wohlstandserhalter um jeden Preis. Und es gibt viel mehr von ihnen ...  ::) :o

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Quo vadis, mein Volk?
« Antwort #3 am: Februar 22, 2022, 14:14:52 »
Gut, dass du intervenierst, Erich.

Ich habe mich vor langer Zeit mal mit Faschismustheorien beschäftigt, und die marxistische Variante, die hier eingeflossen ist (ich benutze mal deren Vokabular), sah immer das "Kapital" als  finanziellen Förderer des Faschismus ab dem Moment, ab dem nur noch eine reaktionäre Militärdiktatur ihre Vorrechte gegen das revolutionäre Proletariat und dessen Enteignungsforderungen verteidigen konnte. Das konservative Kleinbürgertum bilderte nach diesem Erklärungsmuster die leicht zu verführende konservative Sektion der Masse, die dann das Ganze trug, die lautstarke Oberfäche der Bewegung ausmachte und die Agressoren stellte.

Das war immer vereinfachend, und die Gesellschaft hat sich stark verändert, seit die These aufkam.

LG g   

 

 

Erich Kykal

Re: Quo vadis, mein Volk?
« Antwort #4 am: Februar 22, 2022, 22:14:31 »
Hi Gum!

Es gibt sie durchaus, die "rechten Eliten" - dazu muss man in Österreich nur auf die richtigen Bälle gehen! Schlagende Studentenverbindungen sind hierzulande die einschlägigste  Brutstätte für das neue extremkonservative Nachwuchsgesindel auf hohem Niveau, aus reichem Hause und ganz wie der Papa!

Aber die wahre Gefahr kommt heutzutage aus dem Internet: All die Bauernfänger mit ihren frechen Geschichtsfälschungen, Fake Facts, die Schlechtreder von Demokratie, die Rattenfänger, verkleidet als Heavy Metal Bands, all die eifrigen "Behaupter" und Agitatoren, die ständig auf die Dummen, sozial wie charakterlich Schwachen und Verführbaren einreden - diese Gefahr hat man seit Jahrzehnten schwerstens unterschätzt!

Heute spielen sie schon "ernstzunehmende Politiker" im scheindemokratischen Gewand (zB Höcke und sein "Flügel" der AfD), benutzen wieder straf- und widerspruchsfrei die alten Nazibegriffe wie "völkisch" (und meinen dabei "rassisch"), "Blut und Boden", "Soldatenehre", züchten haarsträubend widersinnige Feindbilder, schüren bildungsferne Ängste um Wohlstand und Sicherheit, instrumentalisieren alle auch nur ansatzweise staatskritischen Bewegungen, unterwandern sie und machen sie zu "ihrer Sache".

Und was tun Gesetzgebung und Exekutive? Erstere hat mehrmals vergeblich versucht, Naziparteien zu verbieten und auszumerzen - ohne Erfolg. Sie benannten sich einfach um, oder lösten sich auf und formierten sich unter anderem Namen und neuer Fahne neu - oder sie gingen gerichtlich dagegen vor, nutzen die Mittel der Demokratie gegen diese selbst - mit Erfolg!
Letztere sieht sich teilweise schon selbst von Gesinnungsgenossen der Neonazis unterwandert, andere sympathisieren zumindest teilweise mit der "harten Gangart" der rechten "Aufräumer". Polizisten sind nun mal vom Menschenschlag her eher statutentreue, ordnungsfanatische, unterwürfige Rudeltiere, oder verkappte boshafte Kontrollsadisten mit Hang zu Machtwahn - warum würde man sonst freiwillig so einen Beruf ergreifen?  ;) Sie sind, zusammen mit rigiden Soldatenseelen, die anfälligsten Gemüter für totalitäres Gedankengut: Befehlsempfänger und Befehlsgewohnte.

Und immer noch leugnet die staatliche Oberfläche das Problem, tut so, als gäbe es keine Gefahr aus der Neandertalerecke, oder als wäre diese irrelevant und ungefährlich. Nun - genau das dachten die Neunmalwichtigen der Weimarer Republik damals auch ...  :o

LG, eKy

« Letzte Änderung: Februar 22, 2022, 22:32:35 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Quo vadis, mein Volk?
« Antwort #5 am: Februar 22, 2022, 22:26:40 »
Ja, das stimmt, lieber Erich.

Die Politik kehrt das gern unter den Teppich.

LG g