Autor Thema: Der Wunsch und die Sinnlosigkeit  (Gelesen 2160 mal)

Mike S

Der Wunsch und die Sinnlosigkeit
« am: Dezember 13, 2009, 14:41:03 »
Der Wunsch und die Sinnlosigkeit

Ich grüße Euch, Gevatter Tod,
bin meines Lebens leid
und bitte Euch in meiner Not
um Hilfe, Eure Zeit.

Geleitet mich ins Schattenland,
die Ruhe dieser Welt,
zertrennt für mich das Lebensband,
auf dass der Vorhang fällt.

So kommt herbei und lasst mich ein,
nehmt alle Last von mir,
in Eurer Obhut möcht' ich sein
des Teufels Großwesir.

Gebt mir die Hand in diesen Stunden,
die Pein mich nun schon täglich plagt,
sie schmerzt und nährt nur alte Wunden,
mein Geist, der weint und Seele klagt.

Jetzt stehe ich Euch gegenüber,
Blicke fallen in die Leere,
das Leben war, es ist vorüber,
wenn ich bloß geblieben wäre.

Zurück, zurück! So zeigt doch Gnade,
das Nichts in meinen Sinnen reift,
es nimmt mich mit, führt mich auf Pfade,
wo Dunkelheit nach Dunkel greift.

(c) Mike S
Dezember 2009
« Letzte Änderung: Dezember 21, 2009, 17:45:31 von Mike S »
Every step I take I walk alone (Tarja Turunen)

a.c.larin

  • Gast
Re:Der Wunsch und die Sinnlosigkeit
« Antwort #1 am: Dezember 16, 2009, 09:36:50 »
hallo mike,

hier möchte sich das LyrIch gerne mit dem tod arrangieren - aus erschöpfung, aus lebensüberdruss?
ich sehe hier formal betrachtet zwei teile ( jeweils drei strophen): ab der vierten strophe wechselt auch die metrik.
im zweiten teil schreckt dann das Ich genau vor diesem gedanken zurück : "wenn ich doch geblieben wäre....

in strophe fünf gefiele mir besser: ...meint geist , der weint, die seele klagt....

dein gedicht stimmt mich sehr nachdenklich.
was für mich dabei anklingt ist, dass der tod auch als freund betrachtet werden kann.
und doch löst der gedanke daran zwiespätige gefühle und reaktionen aus....

insgesamt gut beobachtet, lieber mike!

lg, larin

cyparis

Re:Der Wunsch und die Sinnlosigkeit
« Antwort #2 am: Dezember 17, 2009, 15:03:47 »
Lieber Mike S,
mein Seelenfreund!


Vorab eine Anmerkung:
Die letzte Zeile ist überwältigend schön!

Das ganze zwiespältige Gedicht darf nicht nur flüchtig gelesen werden, auch gründlich nicht nur ein- oder zweimal.
Ich hab mich lange damit beschäftigt und habe mich in manchen Zeilen wiedererkannt, d.h. Seelenstimmungen in noch relativ jungen Jahren.

Bei der ersten Zeile bleibe ich schon hängen.
Irdendwie erscheint sie mir nicht richtig zu sein. Rein vom Sprachlichen her.
Gemeint ist gewiß:

Er sei gegrüßt, mein Freund, der Tod!,

aber dann fehlt die von Dir gewollte Anrede.

die Pein mich nun schon täglich plagt,
sie schmerzt und nährt nur alte Wunden,  (Punkt?)
mein Geist, der weint und Seele klagt. (Mein Geist - er weint. Die Seele klagt)

Nach "vorüber" hätte ich ein Ausrufezeichen gesetzt.

Später auch noch eines.
(zurück, zurück!)

Ein erschütterndes Gedicht.
Und dies nicht mein letzter-erster Beitrag dazu.

Immer:
cyparis

Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Mike S

Re:Der Wunsch und die Sinnlosigkeit
« Antwort #3 am: Dezember 17, 2009, 23:14:39 »
Hallo larin,

ich danke Dir für Deine Zeit.

Zitat
hier möchte sich das LyrIch gerne mit dem tod arrangieren - aus erschöpfung, aus lebensüberdruss?
ich sehe hier formal betrachtet zwei teile ( jeweils drei strophen): ab der vierten strophe wechselt auch die metrik.

Ja, das ist korrekt. Zuerst hatte ich mir gedacht, das Gedicht in zwei Abschnitte aufzuteilen, die von unterschiedlicher Metrik getragen sind. Am Ende störte es mich dann ein bisschen. Gut, dass es für Dich metrisch so in Ordnung ist. Auf einer anderen Plattform existiert noch eine weitere Fassung mit durchgängig gleicher Metrik aber anderem Ausgang.

Zitat
in strophe fünf gefiele mir besser: ...meint geist , der weint, die seele klagt....

Daran dachte ich auch zunächst, doch wollte ich nicht so oft "die" in der Strophe haben.

Zitat
dein gedicht stimmt mich sehr nachdenklich.
was für mich dabei anklingt ist, dass der tod auch als freund betrachtet werden kann.
und doch löst der gedanke daran zwiespätige gefühle und reaktionen aus....

Dann habe ich das erreicht, was ich erreichen wollte, auch wenn das Thema düster ist.

Zitat
insgesamt gut beobachtet, lieber mike!

Für dieses Kompliment danke ich Dir.

Beste Grüße
Mike S

Liebe Cyparis,

meine Verwandte in Geist und Seele.

Zitat
Vorab eine Anmerkung:
Die letzte Zeile ist überwältigend schön!

Ich danke Dir und in aller Bescheidenheit diese Aussage: "Ein blindes Huhn findet auch ein Korn."

Zitat
Das ganze zwiespältige Gedicht darf nicht nur flüchtig gelesen werden, auch gründlich nicht nur ein- oder zweimal.
Ich hab mich lange damit beschäftigt und habe mich in manchen Zeilen wiedererkannt, d.h. Seelenstimmungen in noch relativ jungen Jahren.

Ich danke Dir für diesen Ausruf.

Zitat
Bei der ersten Zeile bleibe ich schon hängen.
Irdendwie erscheint sie mir nicht richtig zu sein. Rein vom Sprachlichen her.
Gemeint ist gewiß:

Er sei gegrüßt, mein Freund, der Tod!,

aber dann fehlt die von Dir gewollte Anrede.

Richtig, dann fehlt die Anrede und die ist mir wichtig. "der Tod" ist vielmehr als Name zu sehen (Beispiel: Ich grüße Dich, mein Freund Mike!, Mike = der Tod).

Zitat
die Pein mich nun schon täglich plagt,
sie schmerzt und nährt nur alte Wunden,  (Punkt?)
mein Geist, der weint und Seele klagt. (Mein Geist - er weint. Die Seele klagt)

Nach "Wunden" kann ein Punkt gesetzt werden, ein Komma ist aber auch richtig.

Du wirst lachen, Deinen Vorschlag hatte ich auch schon in der Strophe stehen. Allerdings schrieb ich es dann anders, weil ich ein weiteres "die" in der Strophe vermeiden wollte. Da Du nun schon der zweite Leser bist der dieses "die" vorschlägt, überlege ich es mir noch einmal.

Zitat
Ein erschütterndes Gedicht.
Und dies nicht mein letzter-erster Beitrag dazu.

Ich freue mich schon auf Deinen zweiten ersten Beitrag. Bin gespannt und sehr dankbar, dass Dir dieses Gedicht gefällt.

Alles Liebe
Dir immer
Mike S
« Letzte Änderung: Dezember 17, 2009, 23:17:13 von Mike S »
Every step I take I walk alone (Tarja Turunen)