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« Letzter Beitrag von Erich Kykal am September 22, 2024, 12:04:21 »
Da ist sie wieder, diese philosophische Dissonanz und Diskrepanz zwischen dem Prinzip, nicht zu offenkundig Falschem zu schweigen, und dem Toleranzprinzip, das da sagt, man müsse andersartige Lebensentwürfe, Kulturwissen und Glauben respektieren und dürfe sich nie dazu äußern, schon gar nicht 'negativ' in einem Sinne, der diese Leutchen wütend machen könnte.
Wo ziehen wir da die Grenze? Wieviel im Grunde einfach widerlegbarer oder zumindest eindeutig unwahrscheinlicher Blödsinn ist noch erträglich und gesellschaftskompatibel?
Sind die Gutmenschen bereit zu erlauben, dass an Schulen wieder gelehrt wird, die Erde sei (laut Bibel) nur ein paar tausend Jahre alt, so wie es in einigen Regionen im Bible-Belt im mittleren Westen der USA bereits der - vom Staat tolerierte! - Fall ist?
Finden sie es okay, wenn Extremisten wieder ihre Botschaft lauthalsend und geschichtsverfälschend verbreiten dürfen, erst im Internet - und am Ende sicher auch an offiziellen staatlichen Schulen? Wenn plötzlich wieder Fächer wie 'Rassenlehre' oder 'Rassenhygiene' auf dem Stundenplan stehen? Oder wenn muslimische Fanatiker den fünfmal täglichen Kniefall vor ihrem zornigen Gott verlangen - mit vorgehaltener Waffe!?
Was, Sie sagen, diese Bilder wären zu extrem, zu unwahrscheinlich? Genau mit diesem Standpunkt haben die Idioten der Weimarer Republik damals auch Hitler zum Reichskanzler gemacht. Sollen wir sie dafür respektieren und ihre aus heutiger Sicht ignorante Haltung gutheißen? Argumentieren wir mit dem sattsam beliebten: 'Sie waren eben Kinder ihrer Zeit'? Macht das jede Unmenschlichkeit entschuldbar, all den geistlosen Judenhass, der auch heute wieder überhand nimmt, weil der Dumme offensichtlich immer sofort einen Schuldigen braucht, wenn etwas nicht so läuft wie es soll oder ihm Angst macht? All die Begeisterung, mit der man sich neuen Extremisten an den Hals wirft, das Kind applaudierend mit dem Bade ausschüttet, bloß weil es mal eng wird mit der eigenen Bequemlichkeit?
Ja, die Vertreter der Demokratie haben Fehler gemacht. Korruption, Schlamperei, Lobbyismus, Bestechung, Ersticken in endloser Bürokratie. Aber in einer Demokratie erfährt man wenigstens davon und kann es ändern. Ich denke nicht, dass Extremisten so gnädig wären, eine freie Presse zu gestatten, die über ihre Fehler und Charaktermängel - und da auch sie Menschen sind, wären es gewiss nicht weniger - zu berichten. Siehe Russland usw.
Wenn ich mahne, dass etwas im Argen liegt, bin ich für die Nationalisten ein 'Nestbeschmutzer' und für die Pluralisten ein Extremist. Wo ist dann euer so hoch gepriesener Respekt für MICH? Normaler Disput scheint nicht mehr möglich, lieber beschimpft man sich und versucht einander mundtot zu machen. Todesdrohungen sind auch wieder ganz groß in Mode. Einfache - und meist (noch?) grundehrliche - kleine Politiker werden ob ihrer leichteren Erreichbarkeit tätlich angegriffen, ebenso wie Polizisten oder sogar Rettungskräfte. Hausbesitzer attackieren die Feuerwehr, während ihr eigenes Haus brennt - wortwörtlich, weil ihr Hass auf 'staatliche Organe' größer ist als ihre Angst, alles zu verlieren. Vor vierzig Jahren hätte man sich volksweit entrüstet - heute gilt es als das 'neue Normal'.
Und warum das alles? Weil man uns beigebracht hat, die Idioten nicht nur zu tolerieren, sondern für ihren Blödsinnn auch noch zu respektieren. Weil man Pluralismus als Freibrief für jede erdenkliche Art von Schwachsinn verstanden hat, sei er traditionalistisch kulturell, politisch oder religiös kolportiert. Weil man erlaubt, solchen Kräften der Dissonanz - und ja, ich zähle auch die Rechten der AfD oder der extremen Linken dazu - eine Plattform zu finden, von der aus sie ihren Schwachsinn ins einfache Volk husten können, bis die Verzweifelten, Kreuzdämlichen oder genetisch Verarschlochten sie wählen, weil sie wirklich denken, dass dann alles besser werden würde. Es ist wie mit einem cholerischen Hausbesitzer: Anstatt den Schimmelfleck im Keller zu entfernen und die Mauer trocken zu legen, brennt er lieber sein ganzes Haus nieder und gibt sich und seine Besitzurkunden einer Sekte in die Hände, die ihm verspricht, dass sie sich um alles kümmern wird. Wie blöd können Leute sein?
Und all das soll ich schweigend respektieren? Und die Personen, die sich so offenkundig kindisch naiv oder offen staatsfeindlich verhalten? Oh ihr verblendeten Gutmenschen - was habt ihr nur angerichtet!?
Und da ist er wieder, dieser krachende, kreischend schleifende Widerspruch zwischen dem Toleranzprinzip und der Notwendigkeit, die 'richtigen' falschen Elemente gnadenlos auszusieben, damit eine Gesellschaft stabil bleibt. Wo ziehen wir die Grenze - ja, gibt es sie überhaupt noch? Wenn alles richtig sein darf, woran soll der Verstand sich noch festhalten, wenn das Herz zu eiern beginnt?
Ihr sagt, an das BGB, das Bürgerliche Gesetzbuch. Wenn dieses Instrument so ausrecichend und unfehlbar ist, warum haben wir dann jetzt diese demokratiefeindlichen Strömungen, diese neue, immer deutlicher bedrohliche 'völkische' Strömung, die neuerdings wieder Wahlen gewinnt? Wie lange können unsere Macher es sich noch leisten, die Augen vor dem Offensichtlichen zu verschließen und demokratisch tolerant zu sein, wenn sie die Demokratie an sich erhalten wollen?
Nur zu, respektiert eure Idioten. Aber beschwert euch nicht hinterher, ihr hättet es nicht kommen gesehen - was auch immer.