12
« am: Juli 22, 2015, 14:33:00 »
eine Gartenbetrachtung
Über einem Miniatur-Urwald dichten Johanniskrauts, in der entlegensten Ecke meines Gartens, fliegen Schwärme von Libellen, Käfern, Wespen und Hummeln wie exotische Vögel.
Allein die Vielfalt der Bombi (wie der treffende lateinische Titel der Hummeln lautet) gemahnt an urwaldlichen Artenüberfluss. Dort schwirrt eine schwarzpelzige Steinhummel, deren Nest vielleicht in der Felswüste der nachbarlichen Baustelle zu finden ist. Nahebei kämmt eine Erdhummel sich betulich den letzten Sandbrösel aus dem Haar. Auch sieht man mehrere Ackerhummeln, deren schwarzblonde Hinterleibsstreifung und zierlichere Gestalt an den Habitus einer Honigbiene erinnern. Und sogar eine dicke Dufthummel, die größte der europäischen,
hat sich tief dröhnend hinzugesellt.
Von den grellgelben Blütenkronen hypnotisiert hüpfen sie von Kelch zu Kelch, lassen sich den Nektar schmecken und ziehen sich, in ihrer herrlich hummeligen Behäbigkeit, die Pollen wie Pantoffeln an, um darauf in ihr Nest zurückzuschlurfen.
Sie alle summen vergnüglich und brummen noch inbrünstiger, wenn sie in den Blüten verschwinden, um durch ihr Flügelrütteln von den Staubblättern die Pollen herunterpurzeln zu lassen.
Auch eine Bande Bienen bedient sich an den Nektarien und Karpellen des Johanniskrauts. Wobei Hummeln, der Familienzugehörigkeit nach, ja ebenfalls Bienen sind, und so will ich präzisieren, dass es sich bei den nun gemeinten um Honigbienen handelt.
Und wie sie in die Kelche kriechen, stelle ich mir unwillkürlich die Blütenhüllen als Minen vor, in denen die Bienen das Gold des Nektars und der Pollen sich ergraben. Mit Stecknadelspitzhacken in den Krallen und Goldgräberhüten auf den blonden Köpfchen, halb über die Facettenaugen gezogen um nicht von der Sonne geblendet zu werden. (Ob Bienen in die Sonne schauen können?)
Doch im Gegensatz zu echtem Gold sind diese Schätze nützlich.
Denn der nährstoffreiche Nektar wird, nach seiner Verwahrung im Honigmagen der Biene, der als Frachtraum dient, im Nest vomiert und zum Teil dem Nachwuchs als Nahrung übergeben, zum Teil als Vorrat angelegt. Zu einem weiteren, geringeren Anteil wird die fruchtige Fracht aus dem Honigmagen in den wirklichen Magen weitergeschleust und von der Sammlerin selbst als Energielieferant verwendet.
Ich stelle es mir herrlich vor, als Biene in den prachtvollen Kelch zu sinken und darin genießerisch am Nektar zu nippen. Nebenbei vielleicht in ein Pollenklümpchen hineinzubeißen, die mich immer an einen Laib süßen Brotes denken lassen.
Am Rande des Krautwalds ragen drei gigantische Gänsedisteln wie tropische Übersteher hervor. In ihren Kronen patrouillieren Gartenameisen um Blattlauskolonien und schützen diese vor Marienkäfern und anderen Monstern. Im Gegenzug lassen sich die Läuse den Honigtau aus dem Hintern saugen.
Dadurch können sie gelassen an den Distelblättern knabbern und sich ihrer Selbstklonung widmen. Denn interessanterweise bestehen die meisten Blattlausgenerationen aus Klonen ihrer Mütter, sodass Männchen gewissermaßen überflüssig sind und kaum vorkommen. Vermutlich erweckt diese Tatsache den Neid vieler Feministinnen und den Wunsch als Blattlaus geboren worden zu sein.
Mitten aus den Tiefen dieses Gartendschungels schwingt sich nun, wie eine Harpyie, eine Wespe empor, die sich in ihrer Schnittigkeit und Haarlosigkeit von den flauschigen und pummeligen Hummeln und Honigbienen abhebt. Sie wirkt bedrohlich, wie eine geborene Jägerin, doch will ich anmerken, dass die erwachsene Wespe größtenteils eine Vegetariern ist und in der Regel nur tötet, um ihre Brut zu versorgen. Für ihre Beute ist das freilich kein Trost.
Doch können die Dschungelbewohner vorerst aufatmen, denn ihr Flug führt sie jenseits des Johanniskrauts, wo die offene Weite der Gartenwiesensavanne beginnt, auf welche dieser Tage gnadenlos die Sonne schlägt. Einzig ein Trampolin bietet hier eine Schattenoase. Und dort liege ich bäuchlings, genieße den Ausblick und hoffe, dass sie es nicht auf meine saftbenetzten Lippen abgesehen hat.