die Lyrik-Wiese

Blumenwiesen => Verbrannte Erde => Thema gestartet von: Erich Kykal am Februar 19, 2025, 12:36:30

Titel: Selbstisolation
Beitrag von: Erich Kykal am Februar 19, 2025, 12:36:30
Joheißa, heut wird’s lustig sein!
Ich starre stumm auf die Tapeten,
als würde ich zu ihnen beten,
dem eignen Schweigen hinterdrein.

Der Tag erblaut vor meiner Türe
und lockt mit Welt und Übermut.
Mir tut die bunte Welt nicht gut,
wie meiner blutenden Allüre.

Joheißa, heut wird’s lustig werden!
Ich lese freudlos Bücherseiten,
um innerlich mir zu entgleiten
und diesem Narrentanz auf Erden.

Ein alter Freund ruft mich ins Leben
zurück mit den Erinnerungen,
jedoch ich folge nur gezwungen -
ich kann dem Leben nichts mehr geben,

und es nicht mir. Das frohe Treiben
mag andere als mich erfüllen -
ich folge nur dem kalten Willen,
alleine bis zuletzt zu bleiben.
Titel: Re: Selbstisolation
Beitrag von: gummibaum am Februar 20, 2025, 01:01:37
Lieber Erich,

schon die ersten beiden Verse prallen aufeinander und stehen für unvereinbare Welten: eine lebensfrohe der anderen Menschen und eine lebensmüde des LI.
Im folgenden zeigt sich in jeder Strophe wieder die Grenze zu überschäumender Kraft und Lust, zu geselliger Ausgelassenheit, die das innerlich verwundete Individuum nicht mehr überschreiten kann. Und nachdem es diese Erfahrung ausreichend gemacht hat, nimmt es seine Abkapslung nicht nur hin, sondern wählt sie ganz bewusst als die nun erträglichste Lebensform.

Der traurige Inhalt ist in klaren Bildern und treffenden Worten gut aufgehoben.

Chapeau von gummibaum 





Titel: Re: Selbstisolation
Beitrag von: Erich Kykal am Februar 20, 2025, 10:17:50
Hi Gum!

Ja, so ist es mit uns alten Knackern - wir haben uns am Leben abgenutzt und fühlen uns nur noch in unseren täglichen Ritualen wohl und sicher, ohne zu bemerken, wie wir versteinern.  ;) ::)

Danke für die profunde Deutung und das Lob!  :)

LG, eKy