die Lyrik-Wiese
Blumenwiesen => Drum Ehrlichkeit und Edelweiß => Thema gestartet von: Erich Kykal am Juni 17, 2021, 17:16:21
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I
Der Fluch der wahren Schönheit ist,
dass einfach jeder sie begehrt,
und unentwegter Zweifel frisst
an jedem Tropf, dem sie gewährt:
Der Mensch, wird er um seinetwillen
umworben allzeit und gemocht?
Soll nur die schöne Form erfüllen,
was jeder in sein Süppchen kocht,
der sie umtanzt, wie nachts die Falter
umtanzen der Laterne Licht,
bis endlich vorgerücktes Alter
die holde Larve niederbricht?
Der Fluch der Schönheit ist zu wissen,
dass sie es niemals wissen kann!
Sie lebt und bleibt im Ungewissen -
mit einer Hoffnung dann und wann.
II
Der Fluch der Hässlichkeit hingegen
bedrückt auf eine andre Art!
Den so Geschlagenen bewegen
die Ängste vor dem Blick, der hart
sein Urteil fällt an Oberfläche,
die Schlimmes auszusagen scheint.
Der Hässliche bezahlt die Zeche
des Seichten, der zu kennen meint.
Vergeblich das gerechte Trachten,
verzweifelt in die Welt bemüht!
Sie zweifelt an den Ungeschlachten,
bis ihre Menschlichkeit verblüht.
Dann werden sie, wie sie erscheinen,
ans Ende ihrer selbst gestellt,
und hassen, was – so wie sie meinen -
das Schicksal ihnen vorenthält.
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Lieber Erich,
zwei Flüche, so unterschiedlich wie das äußere Erscheinungsbild: während man die Schönheit nicht hinterfragt, wird die Hässlichkeit gleich auf das Ganze ausgedehnt.
Die beiden Gedichte, die sich wie zwei Halbkreise zum Vollkreis ergänzen, sind nicht nur ein ästhetisches Erlebnis, sondern vielleicht auch ein Beitrag zur Philosophie der Ästhetik, da die Frage, was das Schöne schön und das Hässliche hässlich macht, auch rückwärts gedacht werden kann, nämlich von unseren Bedürfnissen aus, einerseits zu träumen und zu lieben und andererseits Gewissheit und Macht zu erlangen.
Gruß und Chapeau von gummibaum
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Hi Gum!
Vielen Dank für Lob und Anmerkungen! :)
Was schön ist, wird, abgesehen von persönlichen Vorlieben, durch 3 wesentliche Prämissen geprägt:
1) Das Schönheitsideal der Kultur des Individuums, mit dem es aufwächst
2) Die Symmetrie von Gesicht und Gestalt
3) Jugend (= festes Bindegewebe)
Was du damit meinst, dass Träumerei, Gewissheit und Macht definieren sollen oder könnten, was jemand als schön empfindet, erkenne ich nicht.
Was ich meinte: Die Schönheit hinterfragt sich selbst, vorausgesetzt, sie ist nicht pudeldumm und glaubt allen Komplimenten und Schmeicheleien unbesehen. Sie wird, trotz der riesigen Auswahl an Freiern, doch immer irgendwie innerlich zweifeln, ob sie als Person geliebt wird - oder nur als die schöne Hülle, die man benutzen oder herzeigen möchte.
Die Hässlichkeit hingegen kann sicher sein, dass, wenn sie geliebt wird, sicher um ihrer selbst willen geschätzt wird. Dafür kommt dies leider sehr selten vor, denn wo die Schönheit zu viele Verehrer hat, hat die Hässlichkeit in unserer oberflächlichen Welt zu wenige.
LG, eKy