die Lyrik-Wiese
Blumenwiesen => Wo Enzian und Freiheit ist => Thema gestartet von: Sufnus am April 16, 2021, 16:38:10
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.... beim Stöbern in alten Unterlagen bin ich auf das folgende Gedicht gestoßen, das schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat - so würde ich das heute nicht mehr angehen, aber warum soll man nicht auch mal sein früheres Ich hier zu Worte kommen lassen? :)
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De profundis
Man fühlt den Stich, auch wenn man sich's nicht eingesteht:
Wir werden hinter einer Maske klein und kleiner
der Zeitlichkeit, die für uns alt wird und vergeht.
Das Glück wird fasslicher, die Trauer allgemeiner,
und unsre Hülle bleicht sich aus ins Jenseitsfrommen
(was man draus macht, bleibt jedem Menschen unbenommen),
doch reichen wir bis fast zum Schluss als Kind ins Leben
und finden schlafesmüd erst heim im Rätsel Welt
und suchen dann, wenn unser letzter Halt vergeben,
vielleicht die Hand, die unsre leeren Hände hält.
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De profundis
Man fühlt den Stich, auch wenn man sich's nicht eingesteht:
Wir werden hinter einer Maske klein und kleiner
der Zeitlichkeit, die für uns alt wird und vergeht.
Das Glück wird fasslicher, die Trauer allgemeiner,
und unsre Hülle bleicht sich aus ins Jenseitsfrommen
(was man draus macht, bleibt jedem Menschen unbenommen),
doch reichen wir bis fast zum Schluss als Kind ins Leben
und finden schlafesmüd erst heim im Rätsel Welt
und suchen dann, wenn unser letzter Halt vergeben,
vielleicht die Hand, die unsre leeren Hände hält.
Hi Suf!
Gefällt mir gut, bis auf die Stelle S1Z2/3, wo die "Maske der Zeitlichkeit" zerrissen wird, um mittendrin das "klein und kleiner" reimtechnisch unterzubringen. Vielleicht noch der unvollständige Satz S2Z3, dem ein Hilfszeitwort abgeknapst wurde.
Wie wäre es so?:
Man fühlt den Stich, auch wenn man sich's nicht eingesteht:
Wir werden hinter einer Maske klein und kleiner,
die augenscheinlich für uns altert und vergeht.
Das Glück wird fasslicher, die Trauer allgemeiner,
und unsre Hülle bleicht sich aus ins Jenseitsfrommen
(was man draus macht, bleibt jedem Menschen unbenommen),
doch blühen wir bis fast zum Schluss als Kind des Lebens
und finden schlafesmüd erst heim im Rätsel Welt
und suchen dann im allerletzen Halt vergebens
vielleicht die Hand, die unsre leeren Hände hält.
Vor allem die Conclusio ist ganz großes Tennis! Sehr gern gelesen und bearbeitet! :)
LG, eKy
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Hi eKy!
Freut mich sehr, dass es Dir gefällt! Ein Dankeschön für Lob und Anmerkungen! Du weißt sehr zurecht auf die grammatisch bzw. im Hinblick auf Sprachüblichkeiten etwas grenzfälligen Konstruktionen hin - Deine Lösungsvorschläge finde ich sehr schön und sie machen den Text definitiv leichter lesbar. :) Ich lass meine Urfassung aber mal stehen, weil ich sie als Dokument meiner früheren "Schreibe" ganz instruktiv finde. Ich würd das heute alles irgendwie ganz anders anpacken - vielleicht versuche ich in nächster Zeit mal eine kontemporäre Version. :)
LG!
S.
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Guten Abend Sufnus,
ich weiß nicht, ob du an Gott glaubst, es geht mich auch nichts an, aber wenn ich dein Gedicht lese, fällt mir Else Lasker-Schüler ein und ihr: Gott hör.
Ich finde, du solltest den Text unbedingt neu schreiben und zwar als Gebet.
Warum? Weil er eindringlicher wirkt. Lasker-Schüler hat ja auch nicht allgemein geschrieben, sondern konkret. Wenn du das hinbekämst, wäre der Text packend und angemessen. (Wegen des existenziellen Inhalts.)
Einen schönen Abend
Rocco
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Hi Rocco,
ich changiere etwas zwischen dem Nichtglauben an Gott und dem Glauben an Nichtgott - sprich ein Agnostiker vom Verstand her mit dem Herzen eines Atheisten. Das würd mich aber keineswegs davon abhalten, ein Gebet zu schreiben. :) Da denk ich mal drüber nach! :)
LG!
S.
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Ein schönes Gedicht über das, was das Altern überdauert.
Mit Freude gelesen.
LG g
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Lieber gum!
Danke für das Gefallenfinden - wie gesagt, es ist ein ziemlich gut "abgelagertes" Gedicht, das ich in alten Unterlagen von mir gefunden habe - obwohl das Alter thematisiert wird, war hier ein weitaus jüngeres (man kann schon sagen: junges) Alter Ego am Werke... eine kleine Zeitreise... :)
LG!
S.