die Lyrik-Wiese

Blumenwiesen => Zwischen Rosen und Romantik => Thema gestartet von: Agneta am Oktober 19, 2017, 09:42:50

Titel: Fragen eines Gläubigen
Beitrag von: Agneta am Oktober 19, 2017, 09:42:50
Zweifel eines Gläubigen (Doppelsonett)


Und war es ein Verbrechen, dich zu kennen,
ach, deinen schönen Körper zu begehren,
sich zu ergeben, sich nicht sehr zu wehren
und dennoch sich zum Glauben zu bekennen?

Und war es eine Sünde, dich zu fassen,
sich ganz mit deinem Dufte einzuhüllen,
sich jede Pore reich damit zu füllen
und diese Bilder nie mehr loszulassen?

Ich werde deine Haare nie vergessen,
so goldig schimmernd auf gebräunter Haut,
und hat mein Glauben Mauern mir gebaut,

so hab ich dennoch sehnend hingeschaut.
Nein, niemals hab ich Ähnliches besessen.
Dich so zu lieben, war denn das vermessen?

-

Und war es ein Vergehen, nah zu sein,
wenn dein Gott doch problemlos es erlaubte,
als das Gefühl uns alle Sinne raubte?
Das weiß nur dieser eine Gott allein.

Ich sah die weißen Monde hell uns streifen,
gebettet in der Sterne blaues Zelt.
Es war, als wollten wir ein Licht begreifen
als ein Versprechen, das uns ewig hält.

Du ließest Steine in der Wüste blühen,
im Salzsee fremde, süße Sonnen sinken.
Sah Hand in Hand uns diese Bilder trinken,

die heute noch in meiner Seele glühen.
Doch leere Nächte lassen Schnuppen blinken,
als wären sie dein stetig letztes Winken.



Titel: Re: Fragen eines Gläubigen
Beitrag von: gummibaum am Oktober 19, 2017, 19:48:23
Liebe Agneta,

die Liebe führt hier Wesen verschiedener Kulturen (verschiedenen Planeten ?) zusammen, bleibt einzig, kostbar und unvergesslich, verstimmt aber  wohl eine der Gottheiten und scheint so keine Zukunft zu haben.

Mir gefällt dein Gedicht thematisch wie in der formalen Gestaltung sehr gut.

LG g
 
Titel: Re: Fragen eines Gläubigen
Beitrag von: Erich Kykal am Oktober 20, 2017, 16:14:58
Hi Agneta!

Toll gedichtet! Nur zwei Vorschläge:

Sonett I - S1Z3 - "sich hinzugeben, .." Sauberer unbetonter Auftakt.

Sonett II - S1Z2 - "wenn es dein Gott problemlos doch erlaubte,". So rum wäre der unbetonte Auftakt eindeutiger.

Also ich lass mir meine Moralvorstellungen ohnehin und grundsätzlich nicht von heiligen Büchern diktieren, da hab ich - wie in den meisten Belangen - etwas gegen Fremdbestimmung!  >:D

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy

Titel: Re: Fragen eines Gläubigen
Beitrag von: Agneta am Oktober 23, 2017, 09:19:20
Lieber Gummibaum, lieber Erich,

ich danke euch für eure netten Zeilen. ich wollte hier , im Sinne der zwei Königskinder
a eine unerfüllbae, tragische Liebe zeichnen und
b aufzeigen, dass ein bestimmter Glaube eine Beziehung verhindern kann, unmöglich machen. Sicherlich konnotiert man hier direkt den Islam, aber es gilt auch für andere Religionen, wie Hinduismus, der ja noch zusätzlich durch das Kastensystem belastet ist und jede kleine Sekte, die ihre Mitglieder gut im Griff hat.
Hier wird Religion übergriffig. Dennoch kann sie so stark sein, dass ein Mensch lieber seine Liebe fallen lässt als dem Glaubenskodex zu widersprechen und sich darüber hinwegzusetzen.
So ist mir auch das DEIN an der Stelle wichtig, lieber Erich, das eben betont werden soll.
Sicherlich könnte man "hingeben" sagen, aber in diesem Falle geht es ja um den innerlichen Kampf zwischen "sündhaftem Begehren" und Glaubenskodex.

Wie irrational also viele religiöse Regeln sind und wie sie eigentlich gegen den Menschen gerichtet sind und nur auf Kontrolle und Bevormundung des Gläubigen aus, wird an dieser Geschichte wohl klar. Laut Statistik möchten 60 Prozent aller in Deutschland lebenden Türken keine deutsche Schwiegertochter/Schwiegersohn. da rückt das Problem schon ganz nah...

Lieben Dank euch und lG von Agneta
Titel: Re: Fragen eines Gläubigen
Beitrag von: Erich Kykal am Oktober 23, 2017, 17:59:56
Hi Agneta!

Dass manche ihre große Liebe zugunsten eines engen Regelwerks aufgeben, zeigt nur, wie sehr manche Menschen offenbar solche Bevormundung und Einengung brauchen, um sich wohl zu fühlen. Da sind sie daheim, nur dort in diesem engen Gedankengebäude fühlen sie sich ausreichend sicher, um sich der Welt stellen zu können.
Was beweist, wie unsicher viele Menschen sind, denn wirklich dumm oder bildungsfern sind gar nicht SO viele - sie verbieten sich vielmehr jeden folgerichtigen oder logischen Gedankengang, um Teil der Gemeinschaft bleiben zu können, um sicher zu sein im Haus ihres Gottes, sei es, weil sie mit dem Gedanken eines endgültigen Todes nicht leben können, sei es, dass sie sich dies für ihre verstorbenen Lieben wünschen, oder weil sie wie gesagt dieses Regelkorsett brauchen, da sie mit Unsicherheiten nicht zurande kommen.
Je unglücklicher sie mit dieser eigenen Feigheit sind, desto fanatischer und intoleranter verteidigen sie ihren Glauben nach außen. (Oder sie sehen persönliche Vorteile in ihrer Auslegung des Glaubens, wie zur Zeit die muslimischen Fanatiker)

LG, eKy
Titel: Re: Fragen eines Gläubigen
Beitrag von: cyparis am Oktober 25, 2017, 09:48:04
Liebe Agneta,

nicht nur Sektenangehörige sind so verbohrt und verbissen - viele eingefleischte Katholen sind das auch.
Die zwei Königskinder sind ebenso bittersüß wie die Tragödie um Hero und Leander.
Deine beiden Sonette zu lesen, ist ein Genuß der ganz besondren Art!

Liebe Grüße
von
Cyparis
Titel: Re: Fragen eines Gläubigen
Beitrag von: Agneta am Oktober 25, 2017, 22:22:55
ich gebe dir durchaus recht, lieber Eich. denke aber auch, dass eine bestimmte Prägung, häufig bei Katholiken auch mit Angst ( vor Strafe) verbunden, letzendlich so tief sitzt, dass die Menschen nicht mehr davon los kommen.
Anders kann ich mir das nicht erklären, dass Erwachsene sich von einer Religion so dirigieren lassen, dass sie auf eine Liebe verzichten, Menschen umbringen oder sich die Freude am Sex versagen.
Ich wohne nun seit 30 Jahren hier im Rheinland, eine am Anfang noch sehr streng reglementierte Katholikenschar. Ich selbst war ja mal evangelisch, habe es nur am Rande mitbekommen, wie stark  selbst auf die inder eingewirkt wurde.Grauenhaft.
Eine andere Erfahrung machte ich mit Zeugen Jehovas einer Mitschülerin meiner Tochter. Heiraten ausserhalb des Clans war nicht möglich.
Dasselbe kenne ich von meiner Patentante, damals die "Finen", wie man bei uns sagte, also die besonders feinen Evangelen der Freikirche.

Bewusst habe ich mich also mich auf alle Gläubigen mit Direktive bezogen. der Islam steht hier nur als Beispiel.
Nach Jahren der Annäherung in Ökumene, gehen die Katholen hier seit ein paar Jahren wieder back to the roots, machen Umzüge mit Gesängen und weihrauchschwenkend. Da gruselts einen irgendwie. :-\


Ich danke dir, liebe Cyparis, für dein Lob und deine Gedanken, auf die ich auch im Kommentar nochmals eingegegangen bin. Die Antwort zu Erich ist also auch für dich. ;)

LG an euch beide von Agneta

Titel: Re: Fragen eines Gläubigen
Beitrag von: wolfmozart am Oktober 26, 2017, 19:45:52
Hallo Agenta,

1) Ein tolles Gedicht, sowohl technisch als auch inhaltlich.
2) Der Glaube wird - wie man heutzutage am Terrorismus sieht - vor allem in seiner extremistischen Ausprägung zur großen Katastrophe.
    Zum Glück sind heutzutage - im Gegensatz z.B. zum Mittelalter - viele Geistliche und Gläubige relativ locker unterwegs - wenngleich auch heute dumme Dinge im "Namen Gottes" gemacht werden.
3) Deinem gläubigen Zweifler möchte ich zurufen: Im Zweifel für die Menschlichkeit!

Lieben Gruß

wolfmozart
Titel: Re: Fragen eines Gläubigen
Beitrag von: Agneta am Oktober 27, 2017, 09:59:17
ja, da gebe ich dir recht, lieber Wolf. Glaube sollte eigentlich privat sein und niemanden "belästigen".
Danke für deine nettenZeilen und lG von Agneta
Titel: Re: Fragen eines Gläubigen
Beitrag von: Curd Belesos am Oktober 28, 2017, 14:48:01
Liebe Agneta,

es war kein Verbrechen und ist kein Vergehen, doch die Liebe zu einem Gott ist meistens stärker als die Liebe zu einem Menschen.

Zitat
Nein, niemals hab ich Ähnliches besessen.
Dich so zu lieben, war denn das vermessen?

Eine wundervolle Liebeserklärung, die ich mit mitfühlend gelesen habe.

Einen Seufzer und einen lieben Gruß

CB