die Lyrik-Wiese

Blumenwiesen => Wo Enzian und Freiheit ist => Thema gestartet von: Erich Kykal am Januar 06, 2016, 14:24:30

Titel: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Januar 06, 2016, 14:24:30
LAUTERE LYRIK


Zum Geleit

Hier sammle ich im Laufe der Zeit weitere Sonette zu Bildern aus der Kunstgeschichte, die mich beeindruckt haben, in der Hoffnung, es möge irgendwann ein weiteres Buch daraus werden. Dieser Faden schließt demgemäß nahtlos an jenen namens "Lieblingsbilder(zyklus)" (= "Seltsame Sonette" als Buch) an, welcher hier im Forum freundliches Interesse gefunden hat:

http://www.dielyrik-wiese.de/lyrik-wiese/index.php?topic=1540.0

LG, eKy



1) Windsbraut (Max Ernst, 1927) https://c2.staticflickr.com/4/3793/11122043485_201da08e18_b.jpg

Wie fiebernd jagt sie über graue Wogen,
ein Bild verzerrter Lüfte in der Nacht,
von Wirrnis wie um den Verstand gebracht
und aus der Dunkelheit wie hingelogen.

Ihr ganzes Wesen will die Welt verbogen
und wüten machen, wie sie selber tut,
sie wirbelt hin mit einem irren Mut,
wie allem Irdischen im Zorn entzogen.

Und doch, wie ist sie um ihr Ziel betrogen!
Die Welt wird weitergehen, wenn sie sacht
als müde Brise ferne Küsten streichelt

und fremde Wangen heimelig umschmeichelt,
entwoben aller einst so wilden Macht
in Gischt und Nacht: Der Finsternis entflogen.



2) Der Krieg (Alfred Kubin, 1907) https://www.lenbachhaus.de/entdecken/sammlung-online/detail/der-krieg-30032661

Das Ungefühl des Schlachtenwahns im Herzen,
ermächtigt sich der Gott des großes Schritts,
wird Klinge und Verkörperung des Schnitts
zum Anfang und zum Ende aller Schmerzen!

Und unter seinen Hufen brüllen Heere,
seit Anbeginn und Wiederkehr der Zeit
zu kurzem Ruhm und langem Tod bereit,
und branden an sein Angesicht wie Meere.

Und wie die Wogen brechen in der Leere
von Küsten aus Gebeinen alter Kriege,
vergehen sie in Funkensturm und Feuer,

ergeben sich dem Wüten seiner Schwere.
Vergessen sind der Wille nach dem Siege
und die Geburten ihrer Ungeheuer.



3) Adam und Eva (Max Beckmann, 1917) https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/736x/2d/fa/9c/2dfa9c398e2a956b1de1ed371443c90c.jpg

Sie stehen mit rachitischen Gebärden
und starren wie Entzauberte mit trüber
und harter Miene an sich selbst vorüber,
als könnten sie einander nur gefährden.

Sie bietet seinem trägen Widerstreben
die klamme Brust, den Apfel aller Sünde,
als ob der Fall ihr schon vor Augen stünde
und ein von Gott dem Herrn erlöstes Leben.

Er wird es seinen Kindern nicht vergönnen:
Auch als Vertriebene aus seinem Garten
heißt er sie beten und sein Reich erwarten.

Die gute Schlange, die das Denken lehrte,
erklärt zum Sinnbild er für das Verkehrte.
Sie wird die Büßer nie befreien können!



4) Dame in grüner Jacke (August Macke, 1913) http://www.meisterwerke-online.de/august-macke/original3035/dame-in-gruener-jacke.jpg

Sie geht vorbei, gewandet in Gedanken,
das schöne Haupt ins Innere versunken,
als hätte sie, wo ihr die Welt gewunken,
nur Hindernisse sich erdacht und Schranken.

Zwar abgewandt vom fragenden Betrachter,
wie fortgewendet von den lichten Dingen,
die aus den Bäumen und in Herzen singen,
erscheint sie unter Wachenden erwachter

als jene, die verlockt von Oberfläche
ins Weite schauen und in Angesichte.
In stiller Niederschau bereist sie leise

des eignen Blutes angestaute Bäche,
als wüchse sie im dauernden Verzichte
in etwas Reineres auf ihre Weise.



5) Zypressen (Vincent van Gogh, 1889) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/11/Vincent_Van_Gogh_0016.jpg

Wie losgelöst entlodern sie der Erde
in grünen Flammengarben ohne Ende:
Zypressen, die durch deine Künstlerhände
zu tief Beseeltem wuchsen und Gebärde,

in welcher sich die Schauenden vertiefen,
gen Süden durch gelinde Lüfte gleitend,
gemalte Wiesen ohne Scheu beschreitend
mit allen Sinnen, die nach Farben riefen.

So wuchsen dir aus deiner Tage Fieber
Gedichte in den Pinsel, und wir wagen
sie staunend weiter durch die Zeit zu tragen,

wiewohl wir selten ihren Reim ermessen,
als schauten wir die Oberfläche lieber
als dunkle Tiefen, die wir gern vergessen.



6) Arabischer Friedhof (Wassily Kandinsky, 1909) http://www.wassily-kandinsky.org/images/paintings/Arabs-I-Cemetry-1909-Oil-on-card.JPG

Wo mag wohl jener Ort der Ruhe liegen,
aus dem die Sonne solchen Farbenreigen,
so großes Licht sich keltert, ihn zu zeigen,
als wollte sie sein Irdisches besiegen?

Wie zärtlich streicht sie über Gräberreihen,
Versunkene in Andacht zu berühren,
und wo die Blicke in die Ferne führen,
darf unter ihr der Hecke Grün gedeihen.

Gebeugte fremden Glaubens halten inne
und scheinen wie Entrückte in Gedanken
an dieses ausgesuchte Bild der Sinne,

als wüssten sie um einen tiefen Frieden,
in den die Ruhenden vor Zeiten sanken,
und der auch ihnen eines Tags beschieden.



7) Bordighera (Claude Monet, 1884) http://www.artchive.com/artchive/m/monet/bordighera.jpg

Die Stadt von weitem schauend, wie sie gleißend
im Sommer liegt, von Meeresblau geheiligt,
durch Baumgeäst hindurch, das unbeteiligt
nur grünt umher, ein schönes Bild verheißend,

erkenne ich, wo sich in Pinselstrichen
so leicht und südlich wie das klare Licht,
das ferne sich in Meereswogen bricht,
ein Hauch von Wunderbarem eingeschlichen

und hingegeben hat. Aus diesem Bilde
verdichtet sich das Summen der Zikaden
zu Hochgefühlen schwereloser Milde,

in welche man, durch Nadeldüfte schwebend,
entfliehen darf, die Seele drin zu baden,
das Ganze träumend, aber doch erlebend!



8 ) Im Garten von Montmartre (Pierre-Auguste Renoir, 1896) http://www.billerantik.de/gallery2/main.php/d/21967-1/18_Garten_Montmartre_A3_30x36.jpg

Ein lichtgescheckter Schotterweg im Garten,
von sommerlichem Buschgewächs umsäumt
sowie von leichten Bäumen, die verträumt
die unbeschwert Flanierenden erwarten.

Man trifft sich, grüßt sich, plaudert eine Weile
mit wohlbekannten Mienen, wo der Tag
den Atem hält und nie vergehen mag,
als hätte er nicht Uhren und nicht Eile.

Wie gerne wär ich dort, um mitzuschlendern
durch eines Nachmittages Vis-à-vis
und Bilderszenen, die sich niemals ändern,

jedoch in meinem wirklichen Beginnen
enteilt die Zeit, denn sie vergisst uns nie,
und ihren Klauen kann man kaum entrinnen.



9) Ein stiller Teich (Peder Mork Monsted, 1890) http://www.fineartlib.info/plugins/p17_image_gallery/images/6/1755.jpg

Die Wurzeln ineinander wie verschlungen,
so wuchsen dicht am Weiher jene Buchen,
als würden sie der andern Nähe suchen,
beinahe schon dem Irdischen entrungen:

Der moosbegrünten, immerkühlen Erde,
den nahen Wassern, die ihr Bildnis zeigten,
wo lange Zweige sich dem Spiegel neigten -
und beides nährte doch ihr Wohl und Werde.

Die hohen Bäume, sie sind lang vergangen,
der kleine Weiher schon vordem verlandet,
und alle Vögel, die im Laube sangen,

sie nisten anderswo in diesen Tagen.
Ein Stückchen Erde hat sich neu gewandet -
nur alte Bilder, die ein Gestern tragen.



10) Rotes Haus im Park (August Macke) http://www.tapeterie.com/media/catalog/product/cache/1/small_image/780x/bcf7ce64d63d93f1f374273bba74938d/P/-/P-2-600-120.jpg

Wer mag in jenem fernen Hause wohnen,
das hinter hohen Bäumen sich verbirgt,
zugleich wie Zuflucht und Gefängnis wirkt,
wo dunkle Himmel sein Gewicht betonen?

Die vielen Grüne, welche Blicke schonen
vor zuviel Weite wie ein tiefer Wald,
sie werfen Schatten, werfen Lichter bald
den Weg entlang. Wird er die Mühe lohnen,

ihn zu beschreiten, steht die Pforte offen?
Wird Einlass denen, die im Dämmer stehen
und auf die Gastlichkeit des Hauses hoffen?

Wir wissen's nicht, wenn wir im Bild verharren,
so lasst uns glauben und die Wege gehen,
die uns zu Weisen machen - oder Narren.



11) Der rote Weinberg in Arles (Vincent van Gogh, 1888) http://www.kunstkopie.de/kunst/vincent_van_gogh/xir35633_v1.jpg

Sie sind gebeugt in ihres Ackers Farben,
ihr Tagewerk ist ohne Not vollzogen
beinahe schon, des Abendlichtes Wogen
entfachen Gluten in der Blätter Garben,

wo sie, ein Letztes noch hinzuzufügen,
sich mühen um die wohlgereiften Trauben,
so fest in ihrem Aufenthalt und Glauben,
als strafe nie ein Ungemach sie Lügen.

Der kleine Reigen täglicher Verrichtung,
den jener Sonne Wanderung umspannt -
Poeten mag er Anlass sein zur Dichtung,

die Mägde aber und die armen Knechte,
sie lesen niemals, was des Dichters Hand
sie werden hieß: Verlorene Gerechte ...



12) Die weiße Katze (Franz Marc, 1910) http://picture.yatego.com/images/4cdc1c666d0e95.3/41_00042987-kqh/franz-marc-die-weie-katze-81-x-63-kunstreprodu---.jpg

Du liegst zutiefst entspannt auf deinem Kissen,
ein kleines Tier von zierlicher Gestalt,
und hast doch über mich so viel Gewalt
wie alle Götter, die um Sünden wissen.

Wie würde ich dein warmes Fell vermissen,
allein dein Hiersein gibt mir sanften Halt.
Ich wäre ziellos und verloren bald,
beruhigte nicht dein Schnurren mein Gewissen.

Du zartes Bündel zärtlicher Gedanken,
wie brauche ich dein wohldosiertes Maß
geneigter Gesten und entbotner Blicke!

So manches Weltbild brachtest du ins Wanken,
doch niemals so, dass ich darum vergaß,
was uns erklärt: Verbundene Geschicke.



13) Eine Frau im Garten (Pierre-Auguste Renoir, 1873) http://www.billerantik.de/gallery2/main.php/d/21951-1/16_Frau_im_Garten_A3_30x36.jpg

Ein seltenes Motiv scheint hier gelungen:
Als stünde sie für Gartenbau Reklame,
erscheint die ferne, weißbeschirmte Dame
vom Schatten schon beinahe wie verschlungen,

der sich dahinter wie Geheimnis breitet
und wie zum Sprunge auf den bunten Garten,
als würde er die Dämmerung erwarten,
bevor er dunkelnd auf die Lichtung gleitet.

Davor erglänzt der Kies im hellen Lichte,
sind blau der Himmel und die Bäume grün,
doch was durch jenen Schattenwurf zunichte

und dunkel scheint für ungeübte Blicke,
lässt umso heller das Erlebte blühn -
und mancher Damen irdische Geschicke.



14) Mädchen unter Bäumen (August Macke, 1914) http://www.pinakothek.de/sites/default/files/gemaelde/original/macke_maedchen_unter_baeumen.jpg

Und hei, wie sich das aufgeregt verständigt,
Geheimnis weiß in kicherndem Getuschel,
noch selig - wie die Perle in der Muschel -
geborgen vor der Zukunft, die sie bändigt.

Von Strohgeflecht und Jugend licht behütet,
ergeht man sich in Kurzweil und Geschichten,
die würzig vom Erwachsensein berichten,
und wie es ihre Sehnsucht bald vergütet.

Oh, lasst sie weilen bei den leichten Spielen,
so lange es ihr Eigensinn erduldet,
denn viel zu frühe wird nach eitlen Zielen

ihr junger Geist sich wenden und ihr Trachten,
bis sie sich endlich, an der Welt verschuldet,
nach jenen Tagen sehnen, da sie lachten.



15) Landschaft mit Kühen am Fluss (Frits Thaulow, um 1900) http://www.artnet.com/artists/frits-thaulow/evening-light-over-the-river-arques-by-ancourt-yrVEMo0HB3gV35RJzw-FNw2

Wie friedvoll fließen stillere Gedanken
an solchen Orten freundlicher Gewalten,
die unser Erdenrund so schön gestalten,
dass wir mit Bildern und Gedichten danken.

So klar die Fluten unter diesem Spiegeln,
die sanft gekräuselt ihren Himmel tragen
und nur im Schattenwurf der Bäume wagen,
die grüne Tiefe zärtlich zu entsiegeln,

und Kühle atmend in des Sommers Glänzen
ermuntern sie die glatte Fläche heiter
zu leise gluckernden, berührten Tänzen.

Ein sanftes Band des Lebens durch die Zeiten,
wo einmal eng der Bach und einmal breiter
sich immerfort erneut in seinem Gleiten.



16) Fischer auf See (William Turner, 1796) http://www.kunst-zeiten.de/files/images/turner/William_Turner_Fishermen_at_Sea.jpg

Der volle Mond jagt Schatten durch den Äther,
die Fischer fahren dennoch weit hinaus
durch Dunkelheit und wildes Sturmgebraus,
und ihre Frauen bangen um die Väter.

Der grimme Wind ist ein verschlagner Täter,
er treibt die schwanken Boote vor sich her,
doch ohne Arbeit bleibt der Teller leer!
Man wirft die Netze aus und hofft, dass später

die Wut sich legt, das Meer sie milder bettet,
jedoch bis dahin sind sie Spiel der Wogen,
und kein Gebet, das ihre Leben rettet,

wenn sie die Nacht verschlingt, bis ihre Lieben
im Sand sie morgens finden, tot, verbogen -
denn ihre Seelen sind auf See geblieben.



17) Seeschlangen I (Gustav Klimt, 1907) http://www.gustav-klimt.com/images/paintings/Serpents-I.jpg

Die eine hält die andere geborgen,
umfängt sie zärtlich mit dem schlanken Arm
und tröstet sie, hält ihre Seele warm
in einem Meer des Goldes und der Sorgen.

So schlangengleich die schwebenden Gestalten,
und doch so über alle Maßen rein
erscheinen sie, ein lösgelöstes Sein
im Strömen ozeanischer Gewalten.

Der alte Fisch behütet ihre Stunden,
er kennt die Bosheit einer kalten Welt.
In seiner Obhut haben sie gefunden,

was jenseits seiner Wasser sie entbehrten.
Nur hier ist in den Mittelpunkt gestellt,
was heimlich sie erhofften und begehrten.



18) Wassermühle (Frits Thaulow, 1892) https://juanmuro52.files.wordpress.com/2010/12/fritz-thaulow-water-mill-1892-john-g-johnson-collection1.jpg

Oh, welch Geheimnis ruht in deinen Fluten
von milchigem Türkis, welch unerhörte
Geschichte war es, die mein Herz betörte,
als wollte meine Seele drin verbluten!?

Ich spielte Spiele und ich schnitzte Ruten
aus Haselnuss an deinen Uferbänken,
und heute noch will ich an alles denken,
was aus dir rief nach mir, dem wohlgemuten,

verträumten Knaben, den dein Lauf bewachte:
Die Wunderdinge, die er sich erdachte,
wo deine Wirbel ihn durch Träume wiegten,

die Trost ihm waren in gekränkten Stunden -
wenn alles, was er so in dir gefunden,
ihn siegen ließ, den von der Welt Besiegten.



19) Die drei Alter der Frau (Gustav Klimt, 1905) http://www.wmofa.com/gallery/Klimt,_Gustav/The_Three_Ages_of_Woman_1905.jpg

Gebärenswert, begehrenswert, gebrochen,
so wirken sie aus diesem stillen Bilde
und stimmen doch dabei so seltsam milde,
denn alle nehmen wir, was uns versprochen

an Leben ward, wie sie, mit bangem Hoffen
und wissend wohl um jene kurze Strecke,
die uns bemessen ist zu einem Zwecke,
so wir ihn finden. Und zuletzt bleibt offen,

was werden mag, wenn unser letzter Schatten
uns endlich trifft und wir ins Leere fallen.
Und alle Schulden, die wir lebend hatten,

sind sie bereinigt mit der letzten Wende?
Dies ist der Weg, der uns bestimmt ist. Allen!
Doch ist der Leiber Tod auch unser Ende?



20) Blauer Fuchs (Franz Marc, 1911) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/18/Marc-blue-black_fox.jpg

Es ruht das junge Füchslein unterm Baume,
die weiche Schnauze auf dem Grase liegend
sieht es Kaninchen, wie Fasane fliegend,
und freudig jagt es sie in seinem Traume.

So traulich schön in seinem tiefen Schlummer,
und in des Waldes Obhut sanft geborgen,
vergehen ihm die Stunden ohne Sorgen,
und seine Tage ahnen keinen Kummer.

Ach möge es, du gutes Tier, so bleiben,
dass keine Menschen ihre Hörner blasen
und dich mit lauter Hundemeute treiben,

dass Wildnis nur dich deiner Wege leitet
und immer ruhen lässt auf einem Rasen,
wo Mattigkeit in sanfte Träume gleitet.



21) Waldgebet (Egon Schiele, 1915) https://www.meisterdrucke.at/kunstdrucke/Egon-Schiele/24440/Waldandacht.html

Ein Schattenbild germanischer Altäre,
als man den Göttern unter alten Bäumen
ein Opfer brachte und aus wirren Träumen
noch Zukunft las und nicht das Ungefähre.

Ein Geisterort verwitternder Gedanken,
die keiner wirklich je ins Reine dachte,
ein Seelenhafen, der das Tun bewachte
all derer, die davor zu Boden sanken.

Und doch - er lässt den Weisen innehalten,
als strahlte er unendlich schön von innen,
als wüssten jene, die den Fleck gestalten,

um ein Geheimnis, das sie niemals teilen,
als könnten Worte, die sie dort beginnen,
tatsächlich ihre Lebenswunden heilen.



22) Der Nachtmahr (Johann Heinrich Füssli, 1802) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8d/Johann_Heinrich_F%C3%BCssli_053.jpg

Die Frau liegt ruhelos, grotesk verbogen,
sie windet sich im Schlaf und kann nicht weiter,
und böse grinsend dehnt sich immer breiter
das Maul des Dämons, der ihr zugeflogen.

Die Drud hockt schwer auf ihren klammen Brüsten
und flüstert ihr Verderben in die Bilder,
die sie erträumt: Ein tränenfeuchter, wilder
Erguss von Ängsten und versagten Lüsten.

Ein bleicher Nachtmahr heftet seine blanken
und blinden Augen auf die Höllenszene,
als wüsste er, was ihre Sinne tranken,

und schürte sie mit seiner Nebelmähne
zu wallendem Entsetzen für die Schöne,
die kaum noch atmet unter Wehgedanken.



23) Bauernhäuser (Paul Gauguin, 1880) https://reproarte.com/images/stories/virtuemart/product/gauguin_paul/0017-0248_bauernhaeuser.jpg

Ein kleiner, schlichter Weiler auf dem Lande,
aus einer Zeit, die keine Eile wusste,
man nicht erreichbar, informiert sein musste.
Doch dafür gingen tiefer manche Bande,

berührte man sich oft - und wesentlicher,
als über Email, Telefon und Twitter.
Auch damals war so manches ihnen bitter,
doch half man sich und hielt einander sicher.

Man hat noch ganz persönlich sich verhandelt,
die Dächer frei von Kabeln und Antennen,
die Wiesen nicht von Mastenreihn verschandelt.

Wie sehr hat uns der Fortschritt doch verwandelt!
Wir hätten Zeit und müssen noch mehr rennen,
und kaum ein Nachbar lernt den andern kennen.



24) Bauerngarten mit Kruzifix (Gustav Klimt, 1911) http://www.art-trade.de/cache/Kuenstler/Klimt/Gustav-Klimt-Bauerngarten-mit-Kruzifix_600.jpg

Beinahe schon von Blumen überwachsen,
regieren hier von unterm Regendache
ein toter Heiland und Mariens Wache
die Sommerwiesen und die Weltenachsen.

Verwitternd wieder Teil des Lebens werdend,
aus dem, von Menschengeist und -hand erhoben,
sie Form gewannen aus des Schnitzers Kloben,
vergehen sie erneut, sich würdig erdend,

und segnen gleichsam jene lichte Stelle,
ihr Kraft aus einer Gläubigkeit verleihend,
die lange und geduldig sie berührte,

und wie Vergebung nimmt die Blütenwelle
sie wieder auf, den Abersinn verzeihend,
der sie so sehnend in Erstarrung führte.



25) Birkenwald im Herbst (Gustav Klimt, 1903) http://www.kunstkopie.de/kunst/gustav_klimt/birkenwald.jpg

Wie alte Münzen, die Geschichte tragen,
erblindet unterm Staub entrückter Tage,
bedecken Blätter jenen Hang, als wage
kein neues Leben, Wurzeln dort zu schlagen.

Doch Violett straft diesen Eindruck Lügen!
Schon regen sich im Licht erneute Kräfte,
schon steigen aus den Schatten frische Säfte,
und das Verrottende, es wird sich fügen.

Die Silbermoose an der weißen Rinde
ermuntern sich zu auferwachten Tönen
von Dunkelgrün im milden Morgenwinde,

als würden sie das Kommende erwarten:
Ein Auferstehn in diesem wunderschönen,
beinahe schon erblühten Birkengarten.



26) Blaue Artistin (Ernst Ludwig Kirchner, 1914) http://sieveking-verlag.de/wp-content/uploads/2013/10/Sieveking_Verlag_1913_Kirchner.jpg

Das Bild will alle Möglichkeiten zeigen,
den fester Wille ihrer Form verleiht,
wo alle Trägheit sie der Lüge zeiht
im Wirbel der Bewegung, einem Reigen,

den sie bestimmen darf nach vielen Jahren
beseelter Übung, mancherlei Verzichte.
Das Bild erzählt die ewige Geschichte
des ganzen Daseins, was wir sind und waren:

Ein Tanz des Lebens, ein bestrebtes Ringen
um Beifall und erprobte Gleichgewichte,
ein stetes Wagen, Prüfen, Überspringen

des tiefen Abgrunds, der darunter lauert.
Sie springt ins Netz und macht das Bild zunichte,
weil nichts in uns für immer überdauert.



27) Weizenfeld unter Gewitterwolken (Vincent van Gogh, 1890) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9a/Vincent_van_Gogh_-_Wheatfield_Under_Thunderclouds_-_VGM_F778.jpg

Der grüne Weizen silbert unter Wogen,
wo raue Winde sanfte Hänge kneten,
als neigten alle Halme sich zum Beten,
von Lüften halb geschoben, halb gezogen.

Darüber dräut ein Himmel dunkler Ahnung,
der von Gewaltigem und Großem kündet,
worin des Nachmittages Hitze mündet,
zur Prüfung wohl und der Geprüften Mahnung.

Der Himmel hilf, die Ernte zu verschonen,
und alle Dächer vor der Blitze Feuer!
Gesegnet seien Haus und Hof und Scheuer!

So betet man, geduckt vor den Kulissen,
die wie der Rachen aller Ungeheuer
vom Ende künden und von Finsternissen.



28)  Seeschlangen II (Gustav Klimt, 1907) http://images.huffingtonpost.com/2013-10-04-Gustave_Klimt_KLG0284.jpg

Wo Tritons Töchter träumen in den Wellen,
weiß gar ein Gott ihr Lächeln nicht zu deuten,
darein sie Licht wie aus Laternen streuten,
beseelter Blicke Sehnsucht zu erhellen,

die sie versammeln wie perfekte Gemmen,
sie vorzuzeigen und ihr Haar zu schmücken,
derweil die Seelen, die sie so berücken,
sich stöhnend wider das Verhängnis stemmen,

das sie erwartet in den Wundertiefen,
daraus die fließenden Gestalten steigen,
die von verführender Verlockung triefen -

doch immer werden sie hinabgezogen!
Ein letztes Glitzern überzieht den Reigen
der dunklen Lust in übersternten Wogen.



29) Die Brücke (Egon Schiele, 1913) http://www.lasalle.edu/~blum/Design/599px-Egon_Schiele_013.jpg

Wo, Brücke, führst du hin in diesen Landen,
so monochrom wie aus verrußtem Eise?
Wohin geht jenes Bootes träge Reise
auf glatten Wassern, die kaum Strömung fanden?

Wo wuchs der Wald für deine starren Pfeiler,
wer spannte das Metall in deinen Rahmen?
Und alle Fremden, die herüber kamen -
empfanden sie den Bogen darum steiler?

Ach, Brücke, führe mich aus diesen Landen,
die jede Lebensfreude nur betrüben,
als wäre kein Erlebnis mehr vorhanden

als nur der Trott durch eine weite Leere,
ein stumpfes Grau, das hüben wie auch drüben
die Sinne quält mit seiner stillen Schwere.



30) Winter (Jose Clemente Orozco, 1932) https://artmodel.files.wordpress.com/2013/01/orozco_jose_clemente-winter.jpg

Verschlossen sind die Mäntel und die Mienen
vor einer Kälte, die sie reduzieren
und ducken will auf das Niveau von Tieren,
die nur dem eigenen Ergehen dienen.

Gestrenge Züge, wunderlich verwaschen,
und abgekehrt den anderen Gestalten,
so trotzen sie vereinzelt den Gewalten,
die klammen Siegerhände in den Taschen.

Man möchte unvermittelt sie befragen,
von welcher Wesensart das Frosten sei,
das sie gefangen hält in ihren Tagen:

Ist es das Wetter, sind es kalte Herzen?
Je nun, es bleibt doch letztlich einerlei -
sie frieren einsam wie gelöschte Kerzen.



31) Akrobat und junger Harlekin (Pablo Picasso, 1905) https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/564x/46/cb/00/46cb00d873fbde8c50cbd5e50082ae50.jpg

Der stille Blick des hingewandten Knaben,
des stummen Harlekins, der niemals lachte,
berührt den Akrobaten zärtlich sachte,
der wie in tiefer Mattigkeit vergraben,

den Augen der Betrachter sich verschließend,
zu Boden starrt, als sei er sich zuwider,
und das Getrommel und der Takt der Lieder,
ein dereinst heiteres Gemüt verdrießend,

gerönnen ihm zu unverwandter Trauer,
als wäre seiner Tage Unterfangen
ein vages Bild, das immer ungenauer

ein Leben zeigt, das sich in andern feiert,
die applaudierend grölen, wenn sein Bangen
den Tanz der Sensation herunterleiert.



32) Mutter und Kind (Pablo Picasso, 1905) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/1/1c/Pablo_Picasso,_1904-05,_Les_Baladins_%28Mother_and_Child,_Acrobats%29,_gouache_on_canvas,_90_x_71_cm_Staatsgalerie,_Stuttgart.jpg

Die abgewandten Blicke treiben bleiern
in Fernen, die das Ungesagte tragen,
mit stummer Blässe ihre Mienen schlagen,
als wüssten beider Herzen nichts zu feiern.

Versonnen lauschen sie in trauter Kühle
den Klang entlang, der ihre Seelen leitet,
als wäre, was die wunden Stunden weitet,
ein Nachhall nie erwiderter Gefühle.

So trostlos sind die auferlegten Gesten,
als würden aneinander sie erfrieren:
Gestrandete am Ufersaum des Lebens.

Und Träume, die verdarben und verwesten,
belagern sie, bis sie sich ganz verlieren
in welker Pose, wunderlich vergebens.



33) Ein Bergbach (Thomas Moran, 1869) http://images.fineartamerica.com/images-medium-large/a-mountain-stream-thomas-moran.jpg

Du Baum krallst dich ans unverzagte Leben,
ragst knorrig auf so sonderbar zerzaust -
ein zäher Geist, der im Gebirge haust,
wo Kronen sich nur selten hoch erheben.

Du wurzelst, wo ein jäher Wildbach braust,
wo andre Bäume starben im Bestreben,
dem nackten Felsen eine Haut zu geben,
die grünt und atmet. Du jedoch erbaust

ein Bild des Willens und des Überdauerns
für jeden Sinn, der sich mit Mangel quälte,
und im Erlebnis eines süßen Schauerns

betrachten wir, wie dich das erste Strahlen
der Sonne nach dem Wettersturz erwählte,
um dir Erhabenheit ins Laub zu malen.



34) Hausengel (Max Ernst, 1937) http://www.max-ernst.com/images/paintings/the-triumph-of-surrealism.jpg

Ein Veitstanz sturmgetriebener Gewänder,
die selbst sich tragen, nach verzerrten Formen
sich bauschend zum Verrückten, doch Enormen,
so wirbelt dieser Engel durch die Länder

versehrten Geistes, und sein Wahnsinn wimmert
Beschwörungen von unerhörten Farben,
die ihn belebten, doch im Rausch verdarben,
der durch das kreischende Verzehren schimmert.

Als wüchsen ihm begreifende Gestalten
aus waberndem Verhängnis, aus den Falten
der Fieberträume, die ihn weitertragen,

vermehrt er sich und sein Die-Welt-Erleiden
zu wilden Gesten, die den Schmerz bekleiden
und menetekelhaft aus seiner Mitte ragen.



35) Der Wald (William Trost Richards, 1868) http://chestnuthilllocal.com/wp-content/uploads/2012/11/The-Forest.jpg

Das grüne Glühen in den weichen Schatten,
genährt von Sonnenschein und freiem Raume,
erfüllt die Lichtung wie aus einem Traume
des Wandrers Herz, und auf den sanften Matten

will er die müden Glieder niederlegen.
Im Murmeln jenes Baches wird er rasten,
und alles Mühen, Müssen, Weiterhasten
entflieht den Sinnen, die der Ruhe pflegen.

Die Stille um ihn her wird nur gebrochen
von Vogelzwitschern über Blätterrauschen,
und die Gedanken schweigen bald und lauschen

ins kühle Dunkel, das den Sommer bändigt,
und alle Düfte, ohne Scheu gerochen,
sind Seele bald, mit der er sich verständigt.



36) Die Schlucht "Les Peiroulets" (Vincent van Gogh, 1889) http://mfas3.s3.amazonaws.com/vangogh_ravine.jpg

Türkise Wasser wollen Steine schleifen
zu immer neuen, wunderlichen Bändern
erstarrter Geste, und die Farben ändern
sich mit der Tageszeit, die sie durchreifen.

Ein stetes Gischten und ein wildes Tosen
verraten die entfesselten Gewalten,
die stetig jenes Felsenbild gestalten
zu weichen Formen und beseelten Posen.

Wie klein der Sterbliche, der knappe Szenen
aus diesem Reigen flüchtig sich erraffte,
gefühlte Ewigkeiten sie begaffte

und doch nicht fassen konnte, was in jenen
erhabnen Augenblicken er berührte,
als ihn das Bild entrückte und verführte.



37) Massaker in Korea (Pablo Picasso, 1951) http://www.hausderkunst.de/uploads/pics/Picasso_korea_95087_630.jpg

Von welchem Unrecht lohnt es sich zu künden?
Und wieviel Böses wusste man zu zählen
auf abertausend Seiten, uns zu quälen,
im großen Buch der ungetilgten Sünden?

Verfluchte Tat entheiligt die Geschichte,
durch Grausamkeit in ihrem harten Drange,
erzählt von Kälte und brutalem Zwange
in schmerzlich überlieferten Berichten.

Das Bild schlägt dem Gewissen eine Wunde -
es findet wieder ein Gemetzel statt!
Und doch - dass man sich darauf konzentriere,

verhindert ein Detail im Vordergrunde,
weil jener vorderste der Füsiliere
ganz offenbar zwei rechte Füße hat.



38) Landschaft (Edgar Degas, 1892) http://edgar-degas.pw/wp-content/gallery/landschaften/Edgar-Degas-Landschaft-1.jpg

So mächtig stehn der alten Geister Zähne,
zermahlen Jahre zu Vergangenheiten,
die ihre Form wie eine Huld begleiten,
als wirkten noch jahrtausendalte Pläne

in ihnen nach und allen Heilslegenden,
die Eingeweihte spannten um ihr Dienen,
und Stein geworden starren ihre Mienen
ins Land hinaus, bis alle Tage enden.

Hinwiederum ermuntert der Gedanke,
das ganze Bild um neunzig Grad zu kippen,
zu zartem Lächeln die verschmitzten Lippen.

Und fragst du Unschuld nun, nach welcher Seite
du drehen sollst, so schweige und begleite
die andern Engel himmelwärtig. - Danke!



39) Forsthaus in Weißenbach am Attersee (Gustav Klimt, 1912) http://www.kunstkopie.de/kunst/gustav_klimt/forsthaus.jpg

Ein Blütenmeer in sonnenüberglänztem,
belebtem Grün, so schafft sich die Kulisse
ein eigenes Erleben, das gewisse
erlesne Etwas mit vom Tag Ergänztem.

Ein Schieferdach behütet die Fassade,
der Kies ganz unten lässt die Tür erahnen -
ein Helles und ein Dunkles, die uns mahnen,
dass alles, was uns gut ist, drum gerade

den Ausgleich braucht in seinen Gegensätzen,
damit Betrachtende die Harmonie
darin zu schauen lernen und zu schätzen.

So wird das Grün, das dieser stillen Szene
umarmend seinen Blütenflor verlieh,
zum großen Mittler für das denkbar Schöne.



40) Selbstbildnis mit Lampionfrüchten (Egon Schiele, 1912) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b8/Egon_Schiele_-_Self-Portrait_with_Physalis_-_Google_Art_Project.jpg

Halb scheu, halb fragend wirken diese Züge,
der Welt geöffnet halb und halb verschlossen,
ein wenig arrogant, subtil verdrossen,
doch sehr verletzlich vor der kalten Rüge.

Die Arme: Um den dünnen Leib geschlungen,
als herrsche Furcht, sich gänzlich loszulassen,
des vollen Lebens Lieben oder Hassen,
durch seine Kunst besänftigt und bezwungen

an sich heranzuführen ohne Reue.
Aus dem Vergangenen sucht er das Neue,
beleidigt Konventionen. Doch sein Wesen,

das immerzu nur Anerkennung suchte,
auch wenn der andern Unverstand ihm fluchte,
versteht er kaum und will nicht darin lesen.



41) Felsige Landschaft (August Macke, 1914) http://imgc.allpostersimages.com/images/P-473-488-90/63/6329/GTX7100Z/posters/august-macke-rocky-landscape-art-print-poster.jpg

Im Tal voraus duckt eine Kirche schüchtern
sich unter Gipfeln, die im Morgenglühen
die Blicke fordern, und vergeblich mühen
die Dächer sich, sie bleiben klein und nüchtern

im Angesicht der imposanten Berge,
die farbensprühend in ein Blaues ragen.
Ja, selbst der Vordergrund will Großes wagen,
und beide Türme bleiben klein wie Zwerge.

Verzweifelt will das Menschenwerk erhaben
beteiligt sein an diesem hohen Reigen,
sich angeleuchtet von der Sonne zeigen

wie eine Schönheit, die Verehrer sammelt -
indes, der Maßstab mindert seine Gaben
zu einem Kinde, das Gedichte stammelt.



42) Landschaft mit Bauernhaus und Wildbach (Andreas Achenbach, 1865) https://visualelsewhere.files.wordpress.com/2014/05/andreas_achenbach_-_landschaft_mit_bauernhaus_und_wildbach.jpg

Beschaulich wirken jene Bauersleute
mit ihrem Linnen auf der frischen Wiese,
zum Trocknen ausgebreitet in der Brise
und Sonnenschein, der beinah schüchtern heute

die Szenerie mit seinem Licht ermächtigt,
sich so romantisch wild zu präsentieren,
um ferne sich im Schatten zu verlieren,
von hohen Wolkenbergen überprächtigt.

Das schlichte Haus, gealtert durch die Zeiten,
wirkt fast erhaben und dadurch berechtigt,
wie selbstverständlich sich ins Bild zu fügen,

darein sich manche Seufzerseelen weiten -
und wer des Kitsches jene Kunst verdächtigt,
den strafen ihre Kennerblicke Lügen.



43) Die Brücke von Langlois in Arles mit Dame mit Regenschirm (Vinvent van Gogh, 1888) http://www.wallraf.museum/uploads/pics/VanGogh_Bruecke_WRM_1197.jpg

Wer mag sie sein, die schwarzbeschirmte Dame,
der dunkle Fleck in einem Sonnentage,
im Bild, das reden will, die stumme Frage,
das Unbekannte und das Wundersame?

Erklärt sie uns der Brücke Sinn und Wesen,
darüber wandelnd in der Dinge Glänzen?
Dient sie als Kontrapunkt den Farbentänzen
auf lichten Wassern, die ihr Echo lesen?

So klein, verloren fast in diesem Bilde
bestrahlten Sommers, doch an jener Stelle,
die sich verbindet, wie ein Fragezeichen -

so rückt sie eines sanften Tages Milde
und nacktes Balkenwerk aus schlichter Helle
an jenen Ort in uns, wo wir vergleichen.



44) Häuser in Den Haag (Andreas Achenbach, 1862) https://reproarte.com/images/stories/virtuemart/product/achenbach_andreas/0276-0066_haeuser_in_den_haag.jpg

Den tristen Blick der dunklen Augensterne,
die Staub und Schatten zur Genüge kennen
und in der Helligkeit der Weite brennen,
gerichtet in die grenzenlose Ferne,

verschließen sich die alternden Fassaden
der lichten Welt, die ihre Enge weitet,
und einen Himmel, der sich endlos breitet,
darin sie glanzlos und verloren baden,

erstechen sie mit rußigen Kaminen
und großer Abscheu für das Ungefähre!
Sie kleiden einen Anspruch, dem sie dienen,

stattdessen in bewusst bedeutungsschwere,
fast arrogante, ja erhabne Mienen,
als hielten sie Gericht - und nicht nur Leere.



45) Mondnacht am Waldsee (Johann Wilhelm Schirmer, 1849) https://www.van-ham.com/fileadmin/kdb/johann_wilhelm-schirmer-gemaelde-vollmondnacht_am_waldsee.jpg

Das schmale Licht berührt des Waldes Säume,
das flüsternde Geheimnis seiner Schatten.
Ein sachtes Grün von zarten Algenmatten
verheimlicht sanft das Spiegelbild der Bäume

auf jener nun so bodenlosen Glätte,
die - noch bei Tageslicht ein stiller Weiher -
nun tiefer atmet durch den Silberschleier
des Mondenscheines auf der Zauberstätte.

Verwandelte sind auch die Ufersteine,
als wären sie erstarrt aus einem Reigen,
der nur im Dunkeln um die Wasser kreist,

wenn sich das zage Sternenlicht, das reine,
wie auch der Mond in Wolkendunst verschweigen
und eine Nacht tatsächlich "finster" heißt.



46) Aufklaren an der Küste von Sizilien (Andreas Achenbach, 1847) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c5/Andreas_Achenbach_-_Clearing_Up%E2%80%94Coast_of_Sicily_-_Walters_37116.jpg

Ein großer Himmel lässt die Luft erklaren,
und ferner Morgen, noch von Dunst behindert,
der schon die Kühle jener Felsen lindert,
erhebt sich, dieses Bildnis zu bewahren,

das überrauschend nun und urgewaltig
die Sinne adelt, die es bebend sammeln,
die Lippen öffnet, die von Größe stammeln,
Erhabenheit, die tief und vielgestaltig

aus solchen Augenblicken uns gerinnen,
die Seele fordern, sie für sich gewinnen
und ganz besitzen will. Die lichten Wogen,

durchglüht bereits von eines Tages Helle,
bewegen die Gedanken von der Stelle,
an der man weilt, von allem angezogen.



47) Weiche Konstruktion mit gekochten Bohnen, Vorahnung des spanischen Bürgerkrieges (Salvador Dali, 1936) http://images.rapgenius.com/3b9bf24a4f9859dd6b82fdea0d019450.1000x999x1.jpg

Zerstörte Menschlichkeit, in sich zerrissen,
verkrallt in Posen, die ein Leben heucheln.
Ein Scherbenbild der Seelen, die wir meucheln
mit gutem, weil entmachtetem Gewissen,

um hinterher aus allen Leichenteilen
zerschlagener Geschicke neues Grauen
und neuen Irrtum wiederaufzubauen,
aus dem heraus die Wunden nie verheilen.

Was endlich aus gefolterter Geschichte
entwuchert in die fleischige Fassade
der heilen Welt, an der wir uns erfreuen,

man sperrt es schweigend in die Bundeslade
der Ignoranz, macht jeden Weg zunichte,
sich endlich zu erlösen, zu erneuen.



48) Der alte Mann und der Tod (Joseph Wright of Derby, 1773) https://c1.staticflickr.com/9/8543/8690837761_e4be2a0e0b_b.jpg

Wer wollte nicht um jeden Preis vermeiden,
ihn je von fahlem Angesicht zu schauen,
die Kälte fliehen und das stumme Grauen,
das bleiern sagt: Wir müssen alle scheiden!?

Und doch, versöhnlich scheint des Todes Grüßen,
er reicht die Hand und heißt den Mensch willkommen,
als hätte er ihm gern die Angst genommen
und wollte jenen Übergang versüßen,

an den er glaubt, nicht ohne ihn zu scheuen:
Kein Sterben kann den Lebenden erfreuen,
die Uhr soll nie die letzte Stunde schlagen!

Und doch, es hilft kein Wehren oder Flehen,
wir müssen unser Endlichsein ertragen,
auch wenn wir es mitunter nicht verstehen.



49) Landschaft (Frits Thaulow, 1906) http://1.bp.blogspot.com/-28t8Yto9ZVM/U8BTF9lYb-I/AAAAAAADhl4/IolGbLk2AjA/s1600/Frits+Thaulow+Tutt'Art@+%2859%29.jpg

Die Wäscherinnen sind schon früh zugange,
die Sonne hat das Tal noch nicht erreicht,
doch glüht der Rand der Wiese schon, und leicht
erkennt man so: Es dauert nicht mehr lange.

Der Hügel, der bereits so herbstlich leuchtet,
scheint südlich fast: Verbrannt in großer Glut,
wie es der Sommer nur im Süden tut,
wo wenig Regen seinen Hang befeuchtet.

Jedoch der Bachgrund trägt noch satte Grüne,
es mangelt nicht an Wasser jenem Bach.
Die morgendliche Kühle hält uns wach

auf dieser ewig wandelbaren Bühne.
Kein Ungemach entheiligt unser Schauen
und Freude, die wir daraus auferbauen.



50) Die Tragödie (Pablo Picasso, 1903) http://seyta.org/wp-content/uploads/2014/10/Tragedy.jpg

Der Strand, das Meer, die Himmel halten inne,
sind glatt wie eines leeren Heftes Seite,
wie nie gezeichnet von des Schicksals Breite,
das jene tragen, deren trübe Sinne

zu Boden starren wie in Schmerz vergoren,
und ihre Mienen schweigen wie Versehrte,
die man entwurzelte, doch die entehrte,
gebrochne Hülle steht noch dort, verloren,

verendend in besinnungslosen Gesten,
die ihre toten Seelen noch bekleiden,
als wären alle Träume, die verwesten,

noch irgendwie zu bergen, zu beleben,
und sei es nur, dem Kinde dieser beiden
noch einen Grund zum Leben mitzugeben.



51) Pinienwald in der Provinz Viatka (Ivan Ivanowich Shishkin, 1872) http://40.media.tumblr.com/tumblr_m3j0wycZK71rrajnno1_1280.jpg

Der Mensch hat viele Bäume fortgetragen,
der Wald ist offen wie ein Scheunentor,
es fehlen Busch und Birke, die davor
die Winde fingen, die in Ästen klagen.

So hoch, wie hier die ersten Stämme ragen,
entwurzelt sie der wilden Sänger Chor,
wie wohl zu sehen ist: Noch schräg empor
steht einer, doch vom Sturme umgeschlagen

liegt weiter schon ein anderer im Grunde,
und abgebrochen steht ein dritter da,
gestorben an der unverheilten Wunde.

So mancher mochte an Idylle glauben,
der unverständig dieses Bild besah,
und Wald und Welt auch weiterhin berauben!



52) Gerti Schiele (Egon Schiele, 1910) http://classes.colgate.edu/dhoffmann/germ477/private/jjackson/schstdgfig.jpg

So statuettenhaft in sich versunken
das Tuch um ihre schmale Hüfte legend,
begreift man ihre Geste, die erregend
gleichwie benehmend ist, und wonnetrunken

fühlt man sich hin- und wieder fortgezogen
zu gleichen Teilen, warme Wünsche hegend
und doch wie sie der innren Ruhe pflegend,
dem Bilde abgewandt und doch gewogen.

Oh, welche Seele hat uns hier gewunken
aus diesem Schauen, das sich nicht erkannte?
Und war es wirklich, war es hingelogen?

Berührte uns des Engels Federbogen?
Hat es nach Lust nur schwefelig gestunken?
Erlöst das Herz, das keine Namen nannte ...



53) Waldszene mit Bach (Peder Mork Monsted, 1925) http://media.mutualart.com/Images/2009_07/06/0010/220584/65dc24ff-aea3-4736-ba12-29f0743b1e0b_g.Jpeg

Verwunschner Zaubergrund an einem Bache,
da sich das Kind von einst geborgen fühlte,
wo Wasser seine Träume sacht umspülte.
Die hohen Bäume hielten stumm die Wache,

und hinter grünen Mauern lag verborgen
das laute Weh des Kindes in der Ferne.
An diesem Ort verweilte es so gerne,
enthoben seiner ungetilgten Sorgen.

Wie wünschte ich, noch jenes Kind zu wagen,
das sich verlor in allzu vielen Jahren,
die wohl gelebt, doch kaum Erlebnis waren!

Wie wollte ich die schönsten Dämme bauen,
nur um den Wassern dabei zuzuschauen,
wie sie mein Mühen später mit sich tragen.



54) Totenschädel (Adolphe Duvocelle, 1904) http://41.media.tumblr.com/cc1783970b358d72f337d3e78e1cc89e/tumblr_nea0bwwiok1rbyp1oo2_r1_1280.jpg

Was starrst du, gieriger Gevatter, immer
herab von deinem ewigen Podeste?
Die Menschen leben, streben, feiern Feste
am liebsten ohne dich, als könnte schlimmer

kein Grinsen sein als immerzu das deine,
das sie verführt, das Übelste an Leiden
sich anzutun, um diesen Blick zu meiden.
Das Unaussprechliche und das Gemeine

sind dort daheim, wo deine Totenaugen
das letzte Gute aus den Seelen saugen,
um einzig es genüßlich zu verzehren,

damit das Wünschen um noch weitre Tage,
das Flehen nach mehr Zeit, die wilde Klage
den Schrecken und den Wahnsinn noch vermehren!



55) Die Versuchung des heiligen Antonius (Otto Dix, 1940) https://frankzumbach.files.wordpress.com/2010/02/ccf27022010_00005.jpg

Sich klammernd an das dürre Kreuz der Segnung,
so kauert jener Mönch, den Blick in Fernen
verloren wie im Angesicht von Sternen
und ignoriert die störende Begegnung

mit alten Geistern, allzu tief verschwiegen,
die lebenslang in seinem Wesen gärten,
sich von den Floskeln seines Glaubens nährten
und nun, ans letzte Tageslicht gestiegen,

ihn tätig fordern, ihrer zu gedenken,
sie zuzulassen, gütlich zu umarmen,
um sie zu lieben endlich und zu lenken -

jedoch der Heilige kennt kein Erbarmen:
Verleugnend viele seiner vielen Seiten
verkrustet er in starren Halbwahrheiten.



56) Dogwood (Albert Bierstadt, 1875) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7f/HRSOA_AlbertBierstadt-Dogwood.jpg

Der Abend malt sein Gold in die Kulisse,
als wüsste jener Wald um keine Sorgen,
kein Sommergestern und kein Wintermorgen,
und nicht um all die kleinen Kümmernisse

der vielen Tiere, die ihn stumm bewohnen,
denn jeder Fuchs wird jedes Rebhuhn schlagen,
und jeder Wolf wird jeden Hasen jagen,
und auch kein Bär wird je ein Rehkitz schonen.

Das Wesentliche jeglicher Idylle
befiehlt, dass man die schöne Oberfläche
nicht trübe, nicht das Angesicht der Fülle

mit tieferem Gedankengut durchsteche,
damit die Illusion der edlen Hülle
nicht am Gewicht der Wirklichkeit zerbreche.



57) Felsige Klippe (Asher Durand, 1860) http://www.reynoldahouse.org/sites/default/files/tms-objects/1977_2_6_m1_2010.jpg

Als sei ein Tisch von Stein nach langem Wanken
geborsten, steht der graue Fels im Hange,
und Moos und Farn in ihrem grünen Drange
erobern seine ausgesetzten Flanken,

verwittert schon in mählichen Äonen,
als ihn die Erde freigab aus den Tiefen,
und Geister, die in seiner Kühle schliefen,
umlagern nun den Ort, den sie bewohnen,

der Märchen webt und schaurige Geschichten,
aus denen Riesen, Feen und Zwerge quellen
und Höhlen, die an wohlverborgnen Stellen

in grabeskalte Schatzverliese führen,
damit die Wanderer, die seine Stille spüren,
sie mit sich nehmen, andern zu berichten.



58) Der Krieg, Mitteltafel eines Triptichons (Otto Dix, 1932) http://www.skd.museum/typo3temp/pics/63b4fd76f6.jpg

In der gemartert aufgewühlten Erde
schon halb versunken, halb von ihr bedeckt
sind viele Männer elendig verreckt.
Nur einer hofft noch, dass ein Ende werde

mit all dem Schlachten ohne Sinn und Glauben,
dem nackten Grauen, das nach Sühne schreit
aus stummen Mündern, grausig aufgereiht
mit weiß gebleckten Zähnen, die verstauben.

Und oben auf Verbogenem aus Eisen
wie aufgespießt verwesen die Gebeine
von einem, der es auch nicht besser wusste,

jedoch entfleischt dem traurigen Vereine
der Seelen, die in diesem Wahnsinn kreisen,
im Tode noch die Richtung weisen musste.



59) Sturm in den Bergen (Albert Bierstadt, 1870) http://mfas3.s3.amazonaws.com/objects/SC193639.jpg

Ein Talgrund, eben, beinah weit zu nennen,
gerahmt von steilen Hängen, die smaragden
und weiß geädert von den Katarakten
gefüllter Bäche nach dem Regen brennen.

Dahinter wie ein Auge, sturmumrandet,
aus Dunkel, das die Ferne noch verhindert,
der Wetter Macht, die groß und unvermindert
an steile Berge wie ein Wogen brandet,

aus einem großen Ozean gehoben.
Und blass im Hintergrunde eine Klippe,
darum die Wolkenmeere donnernd toben:

Das Matterhorn! Wir stehen wie erschlagen -
die Gesten schweigen und es bebt die Lippe
vergeblich, das Unsägliche zu sagen!



60) Zwei Akrobaten mit Hund (Pablo Picasso, 1905) http://static1.squarespace.com/static/53f353f4e4b0dbe1ff73ced2/54c1db57e4b0a94b97ba6da3/54c1db61e4b0f7f4ab556bae/1421991129503/13+Picasso+Two+Acrobats+with+a+Dog+1905.jpg

Wir ziehen unter schmutzig-blauem Himmel
von Ort zu Ort, die wir nicht Heimat haben,
und zeigen, was an Kunst und manchen Gaben
uns bunt hervorhebt aus dem Dorfgewimmel.

Die Menschen kommen gerne uns besuchen,
wo wir Besonderes zum Besten geben,
den trüben Alltag ihrer Pflicht beleben,
wobei sie uns bewundern und verfluchen!

Oh ja, sie wissen wohl: Wer sonder Bleiben
die Welt bereist, ist ohne Wert im Grunde,
und alles Schlechte ist ihm zuzuschreiben.

Verheimlichte Verachtung streift die Munde,
als wollte man uns allzu bald vertreiben
wie ungeliebte, herrenlose Hunde!



61) Totenbett (Edvard Munch, 1895) https://bluemoonandart.files.wordpress.com/2015/08/munch-the-death-bed-1895.jpg

So vieles wäre er noch gern gewesen
und hätte gut gelebt so manche Jahre,
doch reglos liegt er auf der Totenbahre
und geht den Weg der Dinge, die verwesen.

In die Gesichter steht ein Weh geschrieben,
die ihn begleiten in die große Stille,
in welcher aufgelöst sein letzter Wille
sich nun verflüchtigt. Wäre er geblieben,

was hätte er der Erde noch zu sagen?
Wen machte er gefügig und gewogen,
wem wäre er verbunden und verfallen?

Und könnte er noch etwas Neues wagen,
zutiefst gewürdigt und geliebt von allen?
Egal, der Tod hat ihn darum betrogen.



62) Bauernhaus in der Normandie (Berthe Morisot, 1865) http://cp15.nevsepic.com.ua/238/23702/thumbs/1425502385-1865-chaumiere-en-normandie-thatched-cottage-in-normandy-46x55-cm.jpg

Verborgen hinter Bäumen in der Wiese
ein altes Haus, an einen Hang sich schmiegend,
im Sommer und in den Geschichten liegend,
die es erlebte, und noch mehr als diese

berühren es die Stämme, wie verschweigend,
was dort an Heimat wurde mit den Jahren,
die jene Fenster sanft erleuchtet waren
in dunkler Nacht und wenn die Nebel steigend

das graue Dach in ihr Geheimnis zogen,
und hinter sonnengrünen Wiesenwogen
erklärt sich dies berückende Vermächtnis

wie ein Gedicht dem staunenden Betrachter.
Er räumt es in sein glühendes Gedächtnis
und wandelt fort, bewegter und erwachter.



63) Kinder (Valentin Serov, 1899) http://www.oil-painting-techniques.com/pics/Serow_Children.jpg

Ein Tag am Strand vor über hundert Jahren.
Die Welt der Urgroßväter, die gestrenge
regierten in moralisch fester Enge
des Geistes; und die Kinder, die sie waren,

gehalten, artig nur zu sein und leise -
"gesehen, nie gehört" hieß die Devise -
sie wünschten sicher mehr als immer diese
Beengtheit in gezüchtigt strenger Weise.

Ein Tag am Strand, es lockt die große Ferne,
und fragend hergewandt der Blick des Kleinen:
Was würde wohl der Vater dazu meinen?

Der leichte Wind zupft an den Kinderhaaren
und riecht nach Salz und Freiheit! Oh wie gerne
entschlüpften sie, die wohl gezogen waren.



64) Junge mit Hund (Edouard Manet, 1861) http://www.allpaintings.org/d/55355-1/Edouard+Manet+-+Boy+with+Dog.jpg

Ein schlichtes Bild vor luftig leichter Bläue
erfasst den Hund am Rande nur, den Knaben
sieht man mit Einkaufsbeutel, drin vergraben
die Linke, die zur Förderung der Treue

vielleicht dem Tier ein kleines Häppchen findet,
das bettelnd schnuppert an des Korbes Rand,
und ganz egal, was dieses Jungen Hand
auch fassen mag, die Liebe, sie verbindet

die beiden schon in hingewandten Blicken,
die tiefer sich die Augenpaare schicken,
und der Betrachter dieser kleinen Szene

erfährt in dem Moment, wie ihn umrahmend,
das wahr Gefühlte, Echte, Wunderschöne
an einem Arm, in einer Tasche kramend.



65) Rote Rehe II (Franz Marc, 1912) http://klassik-art-galerie.com/kag/images/0368/big.jpg

Wir lauschen, wittern in die Morgenkühle,
ob nicht ein Jäger unser Sein beschleiche,
der uns, wenn diese Vorsicht je erweiche,
zerreißt, zermahlt in seiner Zähne Mühle!

Verharrend, sichernd hin nach allen Seiten,
bewegen wir uns mit den langen Schatten
der nahen Wälder über weiche Matten,
um wie Prinzessinnen darauf zu schreiten.

Oh süßes Gras, das unser Sehnen nährte
in sicherer Bedeckung, die wir lieben!
So manches Leben wurde hier gelassen,

so manches Ende wurde hier geschrieben,
wo wir, was Sicherheit und Halt gewährte,
für frisches Grün und Wiesentau verlassen.



66) Landschaft mit Bauernhäusern (Camillo Pissarro) http://www.wissen-digital.de/images/thumb/d/db/523059.jpg/570px-523059.jpg

Sag, welcher Sommer über grünen Weiten
war je so wunderbar, so voller Leben,
und in den Brisen, die die Blätter heben,
so mild verlockend, alles zu durchschreiten,

was er entbietet. Welches in die Fernen
entrückte Auge wollte nicht sich schließen,
die Bilder alle einzeln zu genießen,
sie ganz für sich zu lieben und zu lernen?

Sag, welchen Tag, dass er für immer währe,
berief dein Träumen in den Stand der Gnade,
an allzeit diesem einen zu erwachen?

Und welchen Blick, dass er dein Wesen nähre,
erwähltest du zu deiner Bundeslade,
daraus dir ewig Freude rinnt und Lachen?



67) Haus in der Provence (Paul Cézanne, 1885) http://de.academic.ru/pictures/dewiki/67/Cezanne1.jpg

Wie eine Trutzburg, die an diesem Hange
die Wiesen und den weißen Fels bewacht,
ist jenes Haus aus altem Stein gemacht,
und die Bewohner haben endlos lange

darin gelebt, in ihren kurzen Jahren
das Dauernde erhalten und betont.
Ein Eigensinn, der diesen Ort bewohnt,
erglüht aus Mauern, die ihm heilig waren!

Das Dunkelgelb der nüchternen Fassaden
bewahrte seine Tiefe, und vor Schaden
behüten dieses Heim die roten Ziegel

der Dächer, die in ausgesetzten Schrägen
der Winde Kraft und ihre Richtung wägen
wie ein dem Himmel vorgezeigtes Siegel.



68) Im Moulin Rouge (Henri de Toulouse-Lautrec, 1895) https://c2.staticflickr.com/8/7258/7624646152_3cd70f3ae4_b.jpg

Geschminkte Masken, die in ihrer Dichte
gespenstisch wirken wie auf einer Bühne,
die Eitelkeiten feiert, deren Sühne
verloren ist, vom Alkohol zunichte

und heimatlos gemacht wie die Gesichter,
die hier versammelt sind zu später Stunde,
und manches Ungesagte macht die Runde
zu Gläserklirren und im Glanz der Lichter.

Ein stilles Einverständnis mit der Leere,
die diese Leben zeichnet, siegelt ihre
versonnenen und abgenutzten Mienen,

als würde eine ungenannte Schwere
die Züge schließen, die wie tote Tiere
verschweigen sollen, welchem Geist sie dienen.



69) Landschaft am Meer (Edvard Munch, 1918) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/69/Edvard_Munch_-_Landschaft_am_Meer_%281918%29.jpg

Gekühlter Farbenrausch der frisch erblühten
und sich dem Frühling neigenden Gefilde,
worin der Tag die Matten hellt und milde
die Knospen reizt, die unterm Schnee sich mühten.

Dahinter blaues Meer und blaue Ferne,
im Dunste weichen Sonnenlichts verblassend,
und seine Heimat mit dem Blau verlassend
entschwindet sanft der Blick, als führ er gerne

davon zu Bildern südlicher Gestade
aus diesen nordisch kargen Ödeneien,
als wär es kaum um solche Orte schade.

Doch ihre Schönheit liegt darin verborgen,
sich jedem zarten Augenblick zu weihen,
den kleinste Blüten schenken mit dem Morgen.



70) Schlafsaal im Hospital in Arles (Vincent van Gogh, 1889) http://www.kunstkopie.de/kunst/vincent_van_gogh/5261000.jpg

Bett an Bett gereiht im kargen Raume -
nur Gardinen schützen vor den Augen,
die an Krankheit oder Schmerzen saugen,
ob im Wachsein oder wie im Traume.

Und ganz hinten sagt das Kreuz, es werde
nicht Genesung ohne Gottes Segen,
und für jene, die ihr Heil nicht pflegen,
nimmer Lebensglück auf dieser Erde.

Ernste Schwestern schreiten für und wider
ihre Reihen ab wie schroffe Wächter
einer Tugend, deren enges Mieder

für den Geist sie lehrte, streng zu dienen.
Ach, ihr Gott ist hart, und eisern rächt er
frohes Lachen und gelöste Mienen.



71) Das Zimmer van Goghs in Arles (Vincent van Gogh, 1889) https://www.ibiblio.org/wm/paint/auth/gogh/gogh.chambre-arles.jpg

Ein grünes Leben glüht vor diesen Scheiben
und wirft sein Leuchten in die blauen Wände,
an denen hängt, was rege Künstlerhände
auf Leinen warfen, um in Gang zu bleiben.

Das karge Mobiliar, die alten Bohlen -
so wohnt kein reicher Malerfürst! Hier dienen
die Dinge ihrem Zweck, und ihre Mienen
bedeuten einzig: Es gibt nichts zu holen!

Und doch, gerade in der schlichten Demut
des stillen Raumes schwebt ein starker Wille
zu großem Denken, auch wenn eine Wehmut

die Seele hemmt in ihrem hohen Drange!
Es steigt aus seiner ärmlichen Destille
der edle Geist, dass er ins Licht gelange.



72) Murnau, Kohlgruberstrasse (Wassily Kandinsky, 1908) http://media5.news.ch/news/680/335965-25fd40aa38e2dade45f2cef549cd1efa.jpg

Das Licht des Nachmittages auf den Straßen
trieb lange Schatten über Weg und Felder,
dahinter Mauerwerk und endlich Wälder,
die, sich verfinsternd über alle Maßen,

die Hügel überwältigten mit Farben
aus grünem Schatten und geschwärzter Kühle,
als hätten all die bunteren Gefühle,
die ihren lichten Vordergrund umwarben,

sie früher in die Dunkelheit getrieben,
als eigentlich die Tageszeit verlangte,
und nur ein fernes Rauschen ist geblieben,

zu zeigen, wie das Leuchten sie verkannte,
das zwar sich hell um Wiesenbäume rankte,
den Wald jedoch ins Schattenreich verbannte.



73) Das kleine Boot (Albert Edelfelt, 1884) https://artoftherussias.files.wordpress.com/2012/02/the-little-boat-1884.jpg

Ach, einmal noch ein Rindenschiffchen schnitzen,
mit gradem Kiel, bemalt, mit schlanken Masten,
gesetzt mit flinken Fingern, die nicht rasten,
und später dann am Ufersaume sitzen,

es schwimmen lassen und mit großer Seele
damit verreisen in der Phantasie! -
Ich bin gealtert und weiß nicht mehr wie
die Stimmung halten, der ich mich empfehle,

und meine Schiffchen sinken ungefertigt
auf sinneskalten Grund, der mir das Wesen
des inneren Verfalls vergegenwärtigt:

Ich könnte zwar, doch blähen keine Träume
die Segel mehr, und meine Augen lesen
den Maßstab nur und nicht, was ich versäume.



74) Metsälampi (Eero Järnefelt, 1894) http://www.museumsyndicate.com/images/4/31462.jpg

Du glatter See im Walde, dessen Spiegel
die Welten trennt: Die richtige, die oben
ein Sein erträgt - und unten, dir verwoben
und wohlgeborgen hinter dunklem Siegel

dein Gegenstück, in allem täglich gleichend
der Wirklichkeit, nur ohne Duft und Tiefe,
doch silbern zwinkernd mit dem Wind, als riefe
ein Geist daraus, die Ufer nie erreichend.

Ein Geist, der allem Weltgefühl verloren
das Bildnis suchte in den klaren Fluten,
um drüben zu erwachen, neu geboren

in jener Anderswelt, die ihn betörte,
ihn träumen ließ und einen Grund vermuten,
wo keiner war, als er den Spiegel störte.



75) Heimkehrende Bacchanten (Lovis Corinth, 1898) http://www.kunstkopie.de/kunst/lovis_corinth/heimkehrende-bacchanten.jpg

Ein dumpfer Geist, um sein Versagen kreisend,
ergibt sich willig seinem Trost im Rausche,
und da es keinen gibt, der mit ihm tausche,
verliert er sich, durch seine Irre reisend,

in der Betäubung der erlahmten Sinne,
als wüsste nur der Augenblick Bedeutung
für kalte Lust an solcher Seelenhäutung
und unbedacht verschleuderter Gewinne.

Kaum stehend noch, der Völlerei ergeben,
durchlebt sein Zerrbild die verderbten Nächte
und feiert, was die Gottheit, der es huldigt,

ihm abverlangt: Ein hemmungsloses Leben,
daraus ihm alles, was Erlösung brächte,
ins Leere fällt, entheiligt und beschuldigt.



76) Fluss unter alter Steinbrücke (Anders Zorn, 1884) http://www.allartnews.com/wp-content/uploads/2013/12/Anders-Zorn-River-under-Old-Stone-Bridge-1884.-Watercolor-9-316-x-13-78-in-580x388.jpg

Ein Tor aus Stein, und Strömung, unterquerend,
nach lichten Weiten in der Ferne drängend,
dem klammen Dunkel, seinen Lauf beengend,
behänd entschlüpfend über Felsen, während

im Schatten jenes Übergangs noch Ahnen
von winterkühlen Tagen wohnt, und feuchte
Begrünung hofft, dass Abend sie erleuchte
wie alles ringsumher. Die Stunden mahnen

den stillen Zauber, der sich hier verschwendet,
zu sorglicher Geduld mit deinen Blicken,
die Kindertage wieder hochbeschwören.

Doch Zeit verrinnt, und auch Erinnern endet.
Du siehst die Blätter nach dem Winde nicken
und kannst das Atmen deiner Seele hören.



77) Junge mit Schädel (Magnus Enckell, 1893) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/05/Magnus_Enckell_-_Boy_with_Skull_-_Google_Art_Project.jpg

Ein Knabe sitzt mit einem Knochenkopfe
im leeren Raum und sieht ihm ins Gesicht,
als wüsste er um seine Zukunft nicht,
und dass auch seinem jugendlichen Schopfe

derselbe Weg bestimmt ist: Ohne Wissen
und nackt in eine fremde Welt gesetzt,
zu lernen, zu vergessen, was verletzt,
wird er am Ende wieder gehen müssen.

Wir sind geboren, alles zu verlieren!
Was immer wir verknüpfen mit dem Band
des Lebens, welches unentdeckte Land

wir auch erforschen - menschlicher Verstand
hat einzig so in seinem Existieren
am Anfang schon das Ende in der Hand.



78) Tänzerinnen (Edgar Degas, 1890) http://www.androgon.com/wp-content/uploads/2012/10/dpinkgreen.jpg

Die Tänzerinnen fassen noch das letzte
Detail, das ihre Perfektion verstörte,
ins Reine, üben das zu oft Gehörte,
das bei den Proben sie in Szene setzte.

Schon bald wird sich der große Vorhang heben,
entbietend ihren Tanz an tausend Augen,
die wissen wollen, was die Beine taugen,
die man trainierte wohl ein halbes Leben.

Dann wird sich weisen, was an Wert und Willen
beflissen war, sich in die Welt zu tragen,
zuletzt zu siegen - oder zu versagen.

Der große Reigen, der die Mühen segnet,
er wird sich nun mit der Musik erfüllen,
darin die Kunst dem Publikum begegnet.



79) Rosa la Rouge (Henri de Toulouse-Lautrec, 1887) https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/736x/38/2f/d7/382fd74ad3e4bf7067f2093636c257ac.jpg

Die Schultern hängend. Wie gebeugt von Lasten
ihr Hals, der eben noch das Haupt bewegte,
als ob sie etwas prüfte, das sich regte.
Die müden Blicke, die zur Seite tasten,

verborgen hinter unfrisierten Haaren,
das Hemd leger, die schlanken Hände bündig
an dunklem Stoff, wie keiner Pose fündig,
gelernt und wiederholt in vielen Jahren,

die sagen würde: Seht das Weib erblühen,
so schön und elegant, in ihrem Schreiten
sich selbst bewusst, und ohne alle Mühen

Berückendes wie leichte Schuhe tragend -
Der Vorhang fiel, und mit den Öffnungszeiten
vorbei der Glanz, erhaben und sich wagend.



80) Sonnenuntergang auf dem Meer (Thomas Moran, 1906) http://cdn2.brooklynmuseum.org/images/opencollection/objects/size4/32.845_PS2.jpg

Das Licht versinkt in einer schmutziggelben,
vom Sturm zerfransten, regellosen Wiege
aus wilden Wolkenfetzen, die vom Kriege
mit Wind und Wogen künden: Nie dieselben

von einem Blick zum andern, und die Gischten
vermehren noch das schon zuviel Bewegte,
das immerzu sich um das Leuchten regte,
darein sich früh die ersten Schatten mischten.

Noch will das Meer sein Glänzen widerspiegeln,
in jeder kleinen Welle schwelt ein Funkeln,
wie um den letzten Abendschein zu siegeln.

Ein Wirbel hebt sich von den grauen Rändern,
die längst verebbten Strahlen zu verdunkeln -
die Nacht erhebt sich und will alles ändern.



81) Pubertät (Edvard Munch, 1894) https://image.jimcdn.com/app/cms/image/transf/none/path/sd7af60f36d734020/image/i6438602eca09963b/version/1450284603/image.jpg

Ein ernstes Wesen, das den nahen Maler
fixiert wie ein Kaninchen, das erstarrt
in seiner scheuen Pose still verharrt,
damit nichts schlimmer werde und fataler.

Sie ist noch nicht erblüht, doch fern dem Kinde,
das sich in ihren Zügen noch verbirgt.
Die Miene wie von leichtem Trotz umwirkt
bedeckt sie die so früh geweckte Sünde,

wo niemand sie begehrenswerter glauben
und wissen soll als ihren krummen Schatten.
So sitzt sie auf den Laken, die wie Zeichen

zu naher Möglichkeiten, sich zu gatten,
erscheinen, aller Unschuld sie berauben
und wie Gespenster um die Szene schleichen.



82) Die Intrige (James Ensor, 1890) http://newyorkarts.net/wp-content/uploads/2013/10/james-ensor.jpg

Dies ist, was Menschen sind: Entlebte Fratzen,
verzerrte Masken und ein Nähesuchen,
das nur benutzt. Aus leeren Mündern fluchen
sie ihren Opfern. Unter Larven kratzen

sie an der Schminke ihrer Gier und fassen
sich schmierig an, als wollten sie befühlen,
worin die Finger ihrer Seelen wühlen,
und wen sie für ihr Dasein büßen lassen.

Im Tanz der hinterhältigen Allüren,
die schrill um ihre vagen Leben kreisen,
als öffnete ihr Wahnsinn erst die Türen,

durch die sie sich in Dunkelheiten zerren,
erstarren sie, als wollten sie beweisen,
dass sie der Erde Meister sind und Herren.



83) Die Betrunkenen (James Ensor, 1883) http://4.bp.blogspot.com/-XSODFI_jLMs/VSufktDt2kI/AAAAAAAAGRQ/sMPwKN_GJpk/s1600/James%2BEnsor%2B-%2BThe%2BDrunkards.JPG

Nicht ganz bei sich mehr, noch nicht ganz entschwunden
sind sie den Leibern, die sie langsam töten.
Mit Rausches Gift die fahle Haut zu röten,
erlöst sie kaum noch. Sie sind eingebunden

ins Kreisen um Bedürfnis und Gewöhnung,
gefangen zwischen absoluten Nöten.
Wieviel sie ihrem Dämon auch entböten -
genug bleibt nie genug! Wie zur Verhöhnung

all dessen, was sie früher einmal waren,
hängt lose das Gewand, das sie einst füllten,
an ihrer Spottgestalt, die mit den Jahren

ins Jämmerliche glitt mit allen Zeichen
des mählichen Verfalls, den sie verhüllten,
so lang es wichtig war, sich zu vergleichen.



84) Salome (Franz von Stuck, 1906) https://40.media.tumblr.com/48156a4568ca7b055c429b9ff360b6cc/tumblr_nozxzdMKwR1sw0ur3o1_500.jpg

Da lag er nun, der überfromme Beter,
der allzu starr in dieses Leben ragte
und ohne Zögern ihrer Gunst entsagte.
Er liebte nicht, so wurde sie zum Täter,

umgarnte jenen, an der Macht verdorben,
der sie begehrte mit verlebten Sinnen,
auf dass sie ihn für ihren Zorn gewinnen
und leiten möge, mittels Tanz umworben,

den Widerstrebenden für sie zu richten.
Und es geschah! Als sie das Haupt erkannte
und ihre Macht, das Leben zu vernichten,

entbot sie ihren weißen Leib den Sternen,
und was an Lust in ihren Gliedern brannte,
berührte diese noch in fernsten Fernen.



85) Die schrecklichen Musikanten (James Ensor, 1891) http://celeb-true.com/images/james-ensor/james-ensor-07.jpg

Geschrägte Wesen und verqueres Leben,
vereint in gnadenlosen Dissonanzen,
doch willens kaum, auch selbst danach zu tanzen,
verlangen von den Hörern ein Ergeben,

ein Unterwerfen ihren krausen Tönen,
wonach die Welt zu funktionieren habe,
vom größten Säuger bis zur Küchenschabe!
Gehorsam vor dem unerhörten Dröhnen

der krummen Takte und gequälten Saiten,
da nur Musik sein darf, wovon sie sagen,
es wäre eines Universums Breiten,

und nur der Lärm, den ihre Pauken schlagen,
der letzte Schluss der Weisheit! Und sie streiten
Akkorde ab, die Harmonien tragen.



86) Aktstudie (Henri de Toulouse-Lautrec, 1883) http://diepresse.com/images/uploads/0/6/0/3879008/Foto_Bank-Austria-Kunstforum-Wien_web_1412167920590410.jpg

Was hoffte dieses nackte Frauenzimmer
an Leben wohl zu stemmen, als sie Träume
noch hatte und nicht stumme Zwischenräume
in allzu früh Erlebtem, das kaum schlimmer

sie hätte treffen können. Sie erlahmte
schon jung zu einer derer, die nicht hoffen
und glauben mehr und nur noch weglos offen
nach allen Seiten in den Jahren kramen,

wonach ein stumpfes Gieren sie ermündigt,
als wäre so das große Nichts zu füllen,
das jene Einsicht tief in ihr verkündigt,

der alle sich verweigern: Keine Richtung,
kein Sinn, kein Sein um eines Gottes Willen -
nur Existieren bis zur Selbstvernichtung.



87) Chimera (Gustave Moreau, 1867) http://40.media.tumblr.com/ff50fe6b313fa9b9cb49c66bc93a5343/tumblr_mqmc1ytrrH1qds4bko1_1280.jpg

O der du blindlings nie den Abgrund spürtest,
versonnen und mit viel zu kleinen Flügeln -
welch kühler Geist kann deine Träume zügeln,
mit denen du die Zuversichten gürtest,

daraus dir stündlich neue Pläne sprießen?
Und nicht allein entläufst du ins Verderben -
die dir vertraute, sie wird mit dir sterben,
nur Augenblicke deinen Flug genießen,

der abwärts führen muss in jenes Scheitern,
das dem bestimmt ist, der aus Herzensregung
nach Wolkentürmen greift und Himmelsleitern.

So wird die letzte irdische Bewegung,
darein sich die Verliebten hier erweitern,
zum Sinnbild der verneinten Überlegung.



88) Verwundeter (Otto Dix, 1916) http://resources2.news.com.au/images/2009/01/15/va1237519977303/WAR-story-...-one-of-the-prints-by-German-solider-Ot-6441899.jpg

Zerschmettert lieg er brüllend auf der Erde
und krümmt sich unter nie gekannten Schmerzen.
Der Mund, gemacht um eine Braut zu herzen,
ein dunkles Loch, als ob die Wehgebärde

das Leiden leichter machte. Seine Augen
so starr geweitet, dass sie nichts mehr schauen
als nur verschlingendes und kaltes Grauen,
daran sie wie um Gnade flehend saugen.

Wir wissen nicht, ob jener überlebte,
ob er am Wahnsinn dieser Jahre reifte,
wofür er kämpfte und wonach er strebte.

Wir sehen nur die Agonie der Stunde,
da er verstand, was seine Seele streifte:
Wer andere verwundet, wird zur Wunde.



89) Unterholz (Vincent van Gogh, 1887) http://www.gallery.ca/vangogh/en/images/count21_L.jpg

Dies ist der Wald der aberhundert Töne
von Grün - von hell und sonnenübergossen
bis hin zu dunkel, schattengraudurchschossen,
doch alle miteinander: Welches Schöne,

das sich den nimmermüden Augen breitet,
die alles atmend durch die Räume dringen
und einem Geiste von der Fülle singen,
die er an einem Sommertag durchschreitet.

Dies ist der Wald, aus dem sich Märchen weben,
die man den Kindern am Kamin berichtet,
als hätten sie Gewicht und Eigenleben

im wahren Sein an solchen Zauberorten,
wo sich zutiefst Empfundenes verdichtet
zu magischer Gewalt aus Menschenworten.



90) Die Kartoffelesser (Vincent van Gogh, 1885) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b1/Van-willem-vincent-gogh-die-kartoffelesser-03850.jpg

Geschnitzt vom schmalen Lichte sind die Mienen
der so zu Tisch versammelten Gestalten,
die hier gemeinsam eine Mahlzeit halten
für solche, die ihr täglich Brot verdienen.

Drei Alter sitzen still vereint beisammen
und essen, trinken Tee. Sie halten schweigend
im Leben inne, wie einander zeigend,
dass alle sie vom gleichen Blute stammen:

Das Kind, die Eltern und die beiden Alten,
sie hatten niemals mehr in ihrem Leben
als nur einander. Die Bescheidenheiten,

daraus sie schöpfen in der winterkalten,
gemeinen Welt, darein sie alles geben,
verklären sie und wissen sie zu leiten.



91) Der Tod Marats (Jacques-Louis David, 1793) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/aa/Death_of_Marat_by_David.jpg

Auf ewig nun verwoben der Geschichte
sind jene beiden, die ihr Gang berührte:
Der seine Feder, die ihr Messer führte,
sie machten gegenseitig sich zunichte.

Was lehrt uns dies, was dürfen wir behalten?
Wer hat an Bösem mehr von diesen beiden?
Dem einen floss das Gift aus seinem Leiden
gehässig ins Papier, sich zu entfalten,

die andere beendete sein Leben,
sich endlich Frieden durch Gewalt zu geben,
und ging nur wenig später durchs Schafott!

Was änderte sich je am Menschenwesen?
Ein jeder kehrt mit seinem derbsten Besen,
und alle wissen sich mit ihrem Gott!



92) Verbrannter Wald (Akseli Gallen-Kallela, 1904) http://image.invaluable.com/housePhotos/sothebys/66/115366/H0046-L04869629.jpg

Sie stehen dort wie bröckelnde Ruinen,
in eines Krieges ungestümem Grauen
erobert, ausgeplündert und zerhauen
in heißen Gluten, die dem Wahnsinn dienen.

Sie zeigen traurige, veraschte Mienen,
als sollten jene, die das Elend schauen,
aus Trümmern alles wieder auferbauen,
was ehedem sie waren, wie um ihnen

ein zweites und gerechtes Sein zu schenken,
als wäre nie ein Feuersturm gewesen.
Doch wo die alten Strünke sich verrenken,

erwächst schon erstes Grün aus ihrer Erde,
und das Vergangene, es muss verwesen,
damit ein neues Blühen daraus werde.



93) Der arme Poet (Carl Spitzweg, 1839) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/85/Carl_Spitzweg_-_Der_arme_Poet_%28Neue_Pinakothek%29.jpg

Ein bettelarmer Dichter, der mit Flausen
im Kopfe sich an große Werke machte,
ein Narr für alle, über den man lachte,
muss frierend in der Dachmansarde hausen.

Kein Geld für Holz, es ist das kalte Grausen!
Mit dünner Decke reimt er in erdachte
Gefilde sich, zu Wertigkeit erwachte,
doch weltenferne geistige Kartausen.

Und immer träumt die arme Seele weiter,
besucht vom Willen selig angefachte,
verrückte Herrlichkeit, als wär's die seine,

und niemals wird der wirre Mensch gescheiter!
Du Seliger an meiner statt, beachte
nur immer weiter fort das einzig Reine.



94) Ein Sommertag (Leo Putz, 1925) http://81.169.222.198/still/kunst/pic570/261/103001868.jpg

Wie hier ein Maler Frau und Kind berührte
an einem sommerheißen Badetage,
versetzt den Ungeliebten in die Lage,
ein wenig teilzuhaben, so als führte

das Bild ihn traulich weiter in Gedanken:
Was wäre, die Familie könnte seine
von nun an sein, und einzig und alleine
in seinen Träumen wohnen, sie umranken

mit wohligen Gefühlen einer Wärme,
der seine Wirklichkeit so lang entsagte
in ihrem kalten, täglichen Gelärme ...

Doch ach, es sind nur kurze Augenblicke,
ein leises Seufzen lang, so als beklagte
ein anderer verworfene Geschicke.



95) Der Bock (Alfred Kubin, 1904) http://2.bp.blogspot.com/-hkffBVwN2t4/T4_bsOeDW_I/AAAAAAAABeU/O9W4WELEPCM/s1600/kubin-der-bock-1904.JPG

Die warmen Wasser fleischlicher Gelüste
verschlingen Kopf und Treue ohne Wellen.
Die neue Herrin lässt die Rute schnellen,
und wie gebannt vom Wogen ihrer Brüste

will dieser Bock nichts anderes im Tanze,
als ihre süße Neigung zu gewinnen,
und er gebärdet sich wie ganz von Sinnen -
doch seine Göttin hält ihn fest am Schwanze.

So taumelt er, an ihren harten Willen
gebunden wie ein Narr an seinen Wahn,
ihr alle Wünsche treulich zu erfüllen.

Solang Begehren und die Lust ihn ketten,
bleibt er verführt und willig untertan -
und keine Macht der Erde soll ihn retten.



96) Der Tod als Reiter (Alfred Kubin, 1906) http://www.leopoldmuseum.org/media/image/800/727.jpg

Der Tod, ein müdes Wrack auf schwarzer Mähre,
vom Strome der Verlorenen umflutet,
als hätte er zuviel sich zugemutet -
so starrt er bleiern in das Ungefähre,

das ihn bestimmt wie eine dunkle Ahnung
von etwas, das die Menschen sich erdachten,
als sie noch Götter brauchten, Opfer brachten -
und er nichts war als eine stete Mahnung,

zu glauben an ein Leben nach dem Ende.
Doch er, die lange brüchige Metapher -
er wäre froh, wenn sich ein Ende fände!

Jedoch an weiter Glaubende gebunden,
befolgt sein Abbild welker nur und schlaffer
die Regeln, die den hohlen Schädel runden.



97) Das Eckhaus (Villa Kochmann, Dresden) (Ludwig Meidner, 1913) http://www.das-neue-dresden.de/images/2005/meidner-expressionismus.jpg

Wie eines wirren Traumes Spiegelscherben,
ein Blick aus fiebernden und irren Augen,
erheben sich Fassaden, die nicht taugen,
entglittne Wirklichkeiten zu beerben.

Ein jeder Winkel scheint sich zu verschieben,
berauscht von der Wahrscheinlichkeit des Wahnes,
und selbst der Himmel ist: Ihm Untertanes,
um an verzerrten Ufern zu zerstieben.

Das Fenster vorne gleicht dem weiten Rachen,
der seinen Wahnsinn brüllt in alle Winde,
und auch die Bäume, die das Haus bewachen,

verweigern ihr beruhigendes Behüten.
So bricht das Haus gleich einem wilden Kinde
in Beben aus und regelloses Wüten.



98) Der Salon I (Otto Dix, 1921) http://www.morgenweb.de/polopoly_fs/1.1293438.1384970064!/image/image.jpg_gen/derivatives/galerie_940q/image.jpg

Was ist es nur, das dieses Sichverkaufen
im Lauf der Jahre tief in die Gesichter
und Leiber gräbt und deutlich das Gelichter
wie Schminke zeigt, nach langer Nacht zerlaufen?

Verlebt, verworfen vom Gefühl für Dinge,
die gut und edel sind auf dieser Erde,
entblößt man sich: Ein Narrenmarkt für Pferde,
die man zuschanden ritt! Es scheint, als ginge

kein würdiger Gedanke mehr durch diese
vom guten Geist verlassenen Gehirne,
die gierig in verkommene Verliese

sich warfen einst, nicht wissend, was sie taten.
Zu spät nun für erhabene Gestirne:
Gefallen sind sie lange - und entraten.



99) Berlin, Spittelmarkt (Paul Hoeninger, 1912) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/af/Paul_Hoeniger_Spittelmarkt_1912.jpg

Durch diese Strassen wär ich gern gegangen,
inmitten alter, rußiger Fassaden
und lang Entlebter, die auf flinken Waden
an Orte ihrer Absicht hingelangen,

nicht ahnend, was das kommende Jahrhundert
an Umbruch, Leid und Ende mit sich bringen
und ändern wird, worin sie sicher gingen.
So manches hätte mich durchaus verwundert,

was sich an Altem und Verlornem böte,
und manch Modernes würd ich schmerzlich missen,
doch fände ich dieselben Sorgen, Nöte

und Wünsche vor, an denen Menschen hangen,
den gleichen Mächten hold, die das Gewissen
schon immer wortreich in die Kniee zwangen.



100) Unser aller Mutter Erde (Alfred Kubin, 1900) http://derblaueritter.de/wp-content/uploads/2015/04/alfred-kubin-earth-mother-of-us-all.jpg

Da schreitet sie, die alte Saat zu streuen,
die - ewig hoffend - aus der Scholle fährt
und in verbotnen Früchten weitergärt,
um sich aus ihr zu zeugen und erneuen.

Sie geht voran und köpft die jungen Triebe,
wo kaum die Welt erkennend aus der Erde
sie wuchsen zu vergeblicher Gebärde,
denn sie erweckt und tötet ohne Liebe.

Was immer auch die kalten Schädel hielten,
es lohnte kaum die kurz bemessne Dauer,
da sie das Wesen ihres Seins erblickten.

Und was dabei sie - ewig hoffend - fühlten,
bedeutet nichts, und immer ungenauer
verblassen sie zu schattigen Relikten.
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Januar 06, 2016, 21:41:47
Sehr gut, Erich! Wie ich ahne, wirst du dich diesmal der neueren Malerei (ab Expressionismus) widmen. Später mehr dazu.

LG g

 

Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Januar 06, 2016, 21:48:50
Hi, Gum!

Meine Sonette unterliegen keinem zeitlichen Bezugsrahmen - ich bedichte die Bilder so, wie sie mir grade unterkommen. ;)

Ich freue mich auf "später" ...  :)

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Curd Belesos am Januar 07, 2016, 00:23:28
moin moin Erich,

Zitat
Ihr ganzes Wesen will die Welt verbogen
und wüten machen, wie sie selber tut

das ist nur ein Schmankerl deiner Kunst. Ich werde es mehrfach lesen müssen um alles wirklich genussvoll aufnehmen zu können.

Einen dankenden Gruß

CB.
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Januar 08, 2016, 21:57:18
Bild 1: Das Pferd macht den Eindruck, als würde es im Wahnsinn von seinen fliehenden Hufen überholt. Der Mond ist leer.

Sonett: Geht zunächst auch stark in diese Richtung, lässt aber die aufgetürmte Emotionswoge dann in Gischt sacht auf den Strand rauschen.
Gefällt mir sehr gut in dieser zärtlichen Altersläuterung angesichts einer unbeeindruckten Welt.


Bild 2: Der ungeheuerliche Schritt zeigt, dass er das anrückende Heer auszulöschen gedenkt.

Sonett: Ein so intensives Gedicht zum Krieg habe bisher noch nicht gelesen. Obwohl, deine Gabe, Kriegsgreuel plastisch schildern, kenne ich schon von den Sonetten über den Dreißigjährigen Krieg.

LG gummibaum

 







Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Januar 08, 2016, 22:20:02
Hi, Curd!

Was meinst du mit: "NUR ein Schmankerl ..."?? ;) ;D


Hi, Gum!

Es sind zwei Pferde, ineinander verkeilt, wie vom Sturm hochgehoben.

Aber jeder Sturm flaut - wie jeder Furor - irgendwann ab: so auch dieser. :)


Kubins Illustration, die er in mehreren Versionen gezeichnet hat, begleitet mich seit meiner Kindheit, als ich sie zum ersten Male sah. Der Knabe war beeindruckt und verstört, aber er vergaß nie diese Pose der absoluten, mitleidlosen Entschlossenheit, die sich in dieser Personifikation dem Betrachter erschließt.


Vielen Dank für deine lobenden Worte! :)


LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Curd Belesos am Januar 08, 2016, 23:07:22
das ist nur  E I N   Schmankerl deiner Kunst  8)


Schmankerl =bayrisch / östereichischer Ausdruck für Leckerbissen  ::)
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Januar 09, 2016, 00:42:45
Hi, Curd!

Nein, eben nicht nur EINS! ;) ;D

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Januar 09, 2016, 16:38:16
Hallo Erich,

Die Scham macht hässlich, wenn sie unberechtigt ist. Schön, dass du die Schlange in Schutz nimmst.

Später mehr zu den beiden neuen.

LG g
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Januar 09, 2016, 18:53:08
Hi, Gum!

Die Schlange ist interessant: Der Kopf hat etwas von Reptil, Wolf, vielleicht noch ein wenig Opossum ... - jedenfalls die erste und einzige Schlange mit Ohr, die ich sah! ;D

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Januar 10, 2016, 22:54:11
Ich schaue immer erst das Bild an und notiere den ersten Eindruck. Dann erst lese ich dein Gedicht.

Bild: "Mit grüner Jacke" vereinzelt die Person im Vorgrund und lässt sie zugleich im Grün der Bäume Partnerschaft finden.

Gedicht: Dein Sonett lässt mich das anders sehen, indem es einen bewussten Alleingang (weg von der Natur und nicht nur von den Paaren) zwecks Einkehr und Versenkung in sich selbst, die dann bewusster und hell-sichtiger machen, formuliert.

Bild: Die Zypresse wirkt wie eine kraftvolle Flamme in ruhiger Landschaft. Seltsam hintergründig der blasse Mondsichel am hellen Tage.

Gedicht: Das Sonett wendet sich über die Flammen dem Künstler zu, der den Zypressen den eigenen, inneren Brand eingehaucht hat.
Mit den folgenden Versen wird van Gogh als Künstler gewürdigt und als ruhiger schaffend, als ich ihn mir vorgestellt habe. Ich sah ihn mehr von innerer Spannung umgetrieben.

Alles sehr, sehr gern gelesen und bewundert, lieber Erich. Den arabischen Friedhof lese ich morgen.

LG gummibaum

Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Curd Belesos am Januar 10, 2016, 23:31:27
moin moin Erich,

ich lese mit Freuden, genieße Wort und Bild und verstumme vor deinem Können.

Einen bewundernden Gruß

Curd.
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Januar 11, 2016, 00:13:44
Hi, Gum!

Van Gogh habe ich eigentlich nicht als "ruhig schaffend" dargestellt, die Terzette erzählen vom Fieber, das ihm (wie Gedichte) in den Pinsel wuchs.
Das ruhige Element (2. Quartett) bezieht sich auf die Betrachter seiner Bilder.


Hi, Curd!

Vielen Dank für das begeisterte Lob! :)


LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Curd Belesos am Januar 11, 2016, 21:15:43
moin moin Erich,

es scheint mir, als wärst du in einem Rausch. Sind das alles neu geschaffene Werke?

Ich bin wirklich überwältigt.

LG
CB

Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Januar 11, 2016, 22:28:07
HI, Curd!

Ja - jeden Tag ein neues Sonett, mitunter sogar zwei (lässt sich so billiger ausdrucken)! Die letzten beiden sind von heute nachmittag.

Begonnen habe ich - wie oben ablesbar - am 6. Januar.

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Curd Belesos am Januar 11, 2016, 23:10:19
 ;D
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Januar 18, 2016, 20:08:46
Hallo Erich,

ich war ein paar Tage mit Korrektur beschäftigt und sehe, es hat sich hier viel getan. Impressionismus vor allem mit lichtdurchfluteter Natur. Inmitten der vielen Tupfer und weichen Kontraste wirkt das zeitgleich entstande Gemälde von Monsted schon fast unrealistisch scharf.

Von den Sonetten ist jedes auf seine Weise schön und spinnt von ausgelösten Empfdindungen aus anregende Gedanken weiter. Besonders interessant und nah bei Rilke fand ich die um die Mädchen, die erwartungsvoll von der Erwachsenenwelt tuscheln und sich einst in die Jugend zurückwünschen werden. Inspirierend für mich auch das geheimnisvolle rote Haus, das fast ein Gefängnis zu sein scheint und Anlass gibt, über Irrwege nachzudenken.

Ich grüße dich ganz herzlich und sage danke.

LG gummibaum


p.s.: S2/V4 des Katzengedichts (Marc) hat eine Silbe zu viel.



   

Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Januar 18, 2016, 20:32:49
Hi, Gum!

Vielen Dank für die freundliche Rückmeldung!

Die von dir besagte Zeile hängt von der Aussprache des  Wortes "beruhigte" ab. In meinem Sprachkreis sagt man es mit kurzem "u", das sich direkt nach "i" wandelt. Deine Version spricht wahrscheinlich das "hi" als eigene Silbe aus.
Daher: Nach meiner Version gesprochen hat die Zeile keine Überlänge. ;)

Allerdings mag derlei öfter vorkommen, daher werde ich über einen passenden Ersatzbegriff nachdenken.

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Januar 24, 2016, 20:34:07
Hallo Erich,

die kreative Phase des Nach- und Neumalens hält an.  Ich habe mich bei dem Kruzifix schon gewundert, dass du es eines Gedichtes für würdig erachtest, aber dir ist dazu etwas Besonderes eingefallen, indem die Natur es verzeihend absorbiert. Um Füslis Nachtmahr bin ich auch schon immer gedankenvoll geschwebt. Nun finde ich das Bild bestens bedichtet. Thaulow kannte ich nicht. Sein Bild von der Mühle erschafft wirklich einen kraftspendenden Ort. Mir scheint, dein einstiger Knabe spricht eher mit dem Fluss, als dem Beschützer und Anreger seiner Kindheit.

Alles, was ich las (denn ich habe nicht alles gelesen), war sehr gut und ein Genuss.   

LG gummibaum

Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Januar 24, 2016, 22:35:11
Hi, Gum!

Vielen Dank für die Gedanken, die du dir zu dem machst, was du gelesen hast! ;) :) Jeder Kommentar zu meinen Arbeiten freut mich sehr!

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK Teil 1
Beitrag von: cyparis am Februar 11, 2016, 15:54:31
Lieber Erich,


laß mir Zeit, ich bitte Dich!
Wie für den zweiten Teil auch.
Es kann dauern, leider.

Betörten Gruß
von
Cyparis
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: a.c.larin am Februar 13, 2016, 18:49:26
ui, bei der "windsbraut" muss man den link aber SEHR genau lesen.... ;D

wie immer : gekonnt von dir aufs tapet gebracht.
mit fällt dazu nur ein:

ja, das ding wirkt sehr zerrissen!
wer dem winde traut, muss wissen,
wohin diese liebe führt:
letztlich wird atomisiert
jenes sehnlichste bestreben!
schlussstrich- aus!
so ist das eben.

ich nehm das mal in kleinen häppchen zu mir! das wird  einige zeit brauchen, denke ich.

war gerade noch noch mal beim "stillen teich".
es gibt ja bilder, die gefallen einem  - aber dieses macht mich sprachlos.
wie konnte der maler es nur so lebendig malen?
( ich muss dabei mit leisem bedauern feststellen, dass ich selber schon lange keinen pinsel in der hand  hatte....)

lieber erich,
ich möchte mich mal vorab schon bei dir bedanken: dass du uns mit deinen wunderschönen gedichten und den angefügten links dazu einlädst, in  großer kunst spazieren zu gehen.
das lässt die seele leise schwingen...
.lg, larin
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Februar 13, 2016, 22:25:54
Hi, Cypi, larin!

Nehmt euch Zeit, soviel ihr wollt! :)

Vielen Dank für eure Begeisterung! :-*

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Februar 15, 2016, 08:19:14
Hallo Erich,

ich hatte letztens bis 36 kommentiert, finde meine Texte aber nicht mehr. Es geht nun mit 37 weiter.

Die zwei rechten Füße waren mir nicht aufgefallen, wohl aber die sich verzweigenden Gewehrläufe. Ob diese Dopplungen nun kubistisches Sehen und/oder politische Aussage verraten, weiß ich nicht. Du umkreist  die Szene weitläufig die Menschheitsgeschichte und ihre unzähligen Gräuel reflektierend, wozu übrigens auch das Schwert einlädt, das vielleicht an den bethlehemitischen Kindermord erinnert.

Ich bin deinen Gedanken sehr gern gefolgt.

LG gummibaum 

 
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Februar 15, 2016, 14:41:13
Hi, Gum!

Leider sind einige Kommentare verloren gegangen, und zwar deshalb:

Weil es zuvor in diesem Forum eine Zeichenbegrenzung von 20.000 oder 30.000 Symbolen pro Faden gab, musste ich nach 25 Sonetten einen neuen Faden beginnen (Lautere Lyrik Teil 2). Petra hat sich des Problems angenommen und die Höchstgrenze heraufgesetzt, sodass ich die Fäden wieder vereinen konnte. Die Antworten aus dem 2. Teil allerdings konnten nicht zurückverschoben werden und gingen mit der Löschung des nun überflüssigen 2. Teils verloren. Es tut mir leid.

Zu Picassos Koreabild hier ein Dialog aus einem anderen Forum:

ICH:

Zum Koreabild: Dich mag dieses Detail (die beiden rechten Füße) nicht stören - ich hingegen kann kann nicht hinsehen, ohne dass es mir ins Auge springt - und zwar schmerzlich! So ein Schnitzer, und das von einem Picasso!
Interessanterweise wirkt die Gestalt durch diesen Fehler sogar präsenter in ihrer Pose - bis man den Fehler bemerkt! Dann fühlt man sich bei jedem Anschauen wie gegen den Strich gebürstet!
Offenbar bin ich einer, der mit derlei Unkorrektheiten nicht leben kann! Nenn mich pingelig, aber sowas stört mich ungemein, deshalb war es mir auch wichtig, das im Sonett nicht unerwähnt zu lassen! Leider gefällt mir das Bild dennoch, es ist ungemein ausdrucksstark, gerade weil es nicht so stark abstrahiert wie das bekannte "Guernica" - man fühlt intensiver mit, wo man sich mit besser erkennbaren Gestalten stärker identifizieren kann!

EINE USERIN:

Eure Diskussion über das Korea-Bild hat mich neugierig gemacht. Und ich habe mal etwas recherchiert, weil ich zwar Picasso als Maler nicht mag, dennoch aber denke, dass ein so Großer nichts ohne Bedacht malt, also auch keine zwei rechten Füße. Die Aussagen über seine Intention, das Bild zu malen, sind widersprüchlich.
Manche beziehen es auf den Koreakrieg als Anklage gegen Amerika. Die Zeit online schreibt etwas Interessantes, denn meine Interpretation ginge eher dahin, dass zwei rechte Füße von einem, der den größten Schritt nach vorne macht, also die treibende Kraft ist, eher gegen rechts, also gegen Nationalsozialismus protestieren. Picasso war Kommunist und hat auch politisch gemalt.
Was die Zeit online schreibt, ich zitiere es im Folgenden, würde dies bestätigen:

"...Auch wird er ermüdend oft bei politischen Veranstaltungen als Aushängeschild benutzt und unlängst wurde ihm ein „realistisches“ Bild ‚,Massaker in Korea“ abverlangt. Picasso selbst will dies Werk nur als Friedenskundgebung aufgefaßt wissen, etwa in dem Sinne, daß im modernen Krieg Frauen und Kinder mitleiden. Die kommunistische Parteipresse deutet hingegen die Soldatengruppe darauf als „feudale Faschisten“, deren „reaktionäre Einstellung“ äußerlich durch Ritterhelme gekennzeichnet werde, mithin als Symbol der UNO-Truppen....".

ICH:

Die treibende Gestalt auf dem Bild ist der Kommandant mit dem Schwert ganz rechts, der den Befehl zur Erschießung gibt. Die Figur mit den rechten Füßen ist nur der vorderste der Soldaten und deshalb in pathetischer Pose dargestellt, um Dynamik, Überzeugung und gnadenlose Effektivität zu suggerieren.
Wahrscheinlich hat Picasso das Bild nicht wirklich gern gemalt - wie du schriebst, es wurde ihm "abverlangt" - und sich deshalb nicht intensiv mit den Details beschäftigt. Wer ein Leben lang malt, schöpft aus einem riesigen Fundus von Techniken und Möglichkeiten, wählt aus vielen Versatzstücken seiner Kunst und stellt rasch mal etwas zusammen, vor allem wenn es sich um eine lästige Verpflichtung handelt, derer er sich rasch entledigen will.
Wahrscheinlich steckt nicht mehr dahinter.
Die "metallische" Darstellung der Soldaten soll m.E. nur das Martialische, Gewalttätige unterstreichen sowie die Anonymität jener, die sich ihrer gern bedienen, wenn es um solche Taten der Entmenschtheit geht (ich war ja nur Befehlsempfänger, Rädchen im Getriebe, musste gehorchen - bin somit nicht verantwortlich für mein Handeln!). Die Gewehre sind auch abstrahiert und erinnern fast eher an Feuerwehrspritzen.
Diese Darstellung nun einer bestimmten Gesinnung zuzuordnen (Kommunisten oder Nato) ist ebenso absurd wie verräterisch - in diesem Bild ging es nie um Politik, nur um die Darstellung dessen, was Menschen einander antun oder überhaupt zu tun bereit sind, um ihrer "Idee" zu dienen - sei sie nun, wie sie sei!


LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Februar 15, 2016, 21:15:51
Hallo Erich,

danke für den Dialog. Es gibt auch Vorbilder wie z.B. Goyas "fusilamientos...", an die es angelehnt sein mag. Aber Picassos Bild zeigt die Opfer in so ruhiger Unschuld und Harmonie.

Bild 40 (Schiele) hast du auch sehr gut ausgedeutet: die Mischung aus Sensibilität, Selbstbewahrung und Arrogenz von einem tieferen Zusammenhang her beleuchtet. Schieles Maltechnik lässt die Oberfläche der Gesichter und Körper ohnehin wie geschunden erscheinen.

LG gummibaum 
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Februar 15, 2016, 22:56:30
Hi, Gum!

Mit manchen von Schieles "Akten" kann ich nichts anfangen - allzu "geschunden", wie du sagst: wie ausgemergelte KZ-Opfer mit ungesunder, teils gar bläulich/grünlicher Hautfarbe, ja eigentlich wie verwesend schon, mit Schambehaarung wie verkrüppelte Bürsten oder zerscheuerte Stahlwolle! :o

Andererseits hat er auch viele Bilder von großer Kraft und eigenwilligem Gestus, und seine Landschafts- und Stadtbilder sind eher unbekannt und weitgehend unterschätzt.


Die rechte Figur in Picasso's "Guernica", die die Arme hochwirft, erinnert in dieser Pose an die weißbehemdete Gestalt im Erschießungsbild von Goya, bloß seitenverkehrt. Hier die Bilder im Vergleich:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/48/El_Tres_de_Mayo,_by_Francisco_de_Goya,_from_Prado_in_Google_Earth.jpg/1280px-El_Tres_de_Mayo,_by_Francisco_de_Goya,_from_Prado_in_Google_Earth.jpg

http://www.museoreinasofia.es/sites/default/files/obras/DE00050_0.jpg

Der Stil von "Guernica" ist übrigens genau jener, der mich bei Picasso am allerwenigsten anspricht. Das Bild gefällt mir gar nicht - es wirkt wie auf extremen Maßstab vergrößertes Telefonnotizblockgekritzel. Okay, es ist Kunst, aber sie sagt mir nichts. Zu abstrahierend, fast ins Kindliche reduziert - auf mich wirkt das eher schlampig denn inspiriert. Aber wer's mag, dem sei der "Genuss" von Herzen gegönnt. ::)


LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: a.c.larin am Februar 16, 2016, 19:26:58
ad Zypressen

ach, das macht Laune, selber einen Pinsel in die Hand zu nehmen und zu malen!
Die Kombi Gedicht + Bild ist einfach Verführung pur!
Kreisch! Und so wenig Gelegenheit, dem nachzugehen...... :-\


Verführe mich niemals mit Bildern und Tönen!
Ich möchte so gerne dem Schönen erliegen
und kann mich im Leben wohl nie dran gewöhnen,
zu sehn, wie sie flüchtig vorüber nur fliegen!

Verführe mich nicht mit den Worten, den zarten,
wenn sie nur wie Windhauch ins Leere gegossen!
Es ist nicht genug, bloß zu hoffen, zu warten.
Ersehntes, das fern bleibt, macht weh und verdrossen.

Verführe mich nie mit den Träumen, den süßen!
Ich habe im Herben gelernt zu bestehen.
Wenn sie auch verheißungsvoll locken und grüßen -
ihr Schimmer verwirrt, um dann nur zu verwehen....



da hast du jetzt wieder was losgetreten bei mir....  ;)  :D

lg, larin
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Februar 16, 2016, 19:44:45
Hi, larin!

Unbedingt einen griffigen Titel suchen und als eigenes Thema einstellen! Sehr gelungen! Wie freu ich mich, dass ich dich "treten" konnte! ;D ;)

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: cyparis am Februar 16, 2016, 21:07:07
Hi, larin!

Unbedingt einen griffigen Titel suchen und als eigenes Thema einstellen!

Ja, liebe larin, unbedingt!

Lieben Gruß
von
Cyparis
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Februar 17, 2016, 08:56:39
Bild 31: Blick hinter die Kulisse.

Hervorragend ist diese Beziehung zwischen noch dem, der sich noch nicht gefunden und dem, der sich früh ausverkauft und verloren hat, in Worte gefasst: Trauer, die Liebe streift.

Chapeau!

LG gummibaum   
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Februar 17, 2016, 13:58:10
Hi, Gum!

Ich liebe solche Bilder, die an Grenzen liegen. Sie bleiben vieldeutig - einer mag bloß einen müden kostümierten Knaben und einen erschöpften Artisten nach der Vorstellung sehen, ein anderer sieht vielleicht Vater und Sohn, wieder ein anderer möglicherweise ein Liebespaar, oder zumindest eine erste Andeutung davon. Es könnten natürlich auch Brüder sein ...
Auch der Blick des Jungen wie der Gestus des Großen sind mehrfach auslegbar, ganz nach persönlicher Präferenz, individuellen Wahrnehmungsfiltern und jeweiliger Prägung der Persönlichkeit. Kurz - ein Meisterwerk, das es allen und niemandem recht macht.

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Februar 17, 2016, 23:47:10
Ja, Erich, das macht den Reiz des Bildes und wird wir von dir mehr als angemessen umgesetzt.

(Die Melancholie der blauen hält sich abgeschwächt in der rosa Periode Picassos, wie das Bild zeigt. Im emotionaleren antibürgerlichen Leben der Künstler streiten sich Liebe und Schmerz, Bewunderung und Ausbeutung, Freiheit und Heimatlosigkeit.)

LG g
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Februar 20, 2016, 13:41:35
Bild 50: Das Kind zeigt als einziges die Hände und somit noch Handlungsfähigkeit. Daher werden die Eltern wohl mehr von ihm empfangen, als ihm geben können. Diesen sind die Körper vorerst Zuflucht.

Das Gedicht geht über das Bild hinaus und lässt die Trauer so tief einschneiden, dass nurmehr entleerte Hüllen bleiben. Gut finde ich, dass über die Ursache der Trauer nicht spekuliert wird, und dass Meer und Himmel nicht als Täter, sondern als Mitfühlende erscheinen.

Sehr gern gelesen, Erich. Wirkt intensiv!

LG g

vielleicht für dich interessant:

http://opus.uni-lueneburg.de/opus/volltexte/2009/14176/pdf/Teil%203.pdf
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Februar 20, 2016, 21:42:43
Hi, Gum!

Danke für den Link - hab ihn jetzt bloß überflogen, braucht auch lang zum Hochladen. Interessante Bilder, das von dir zuvor Bedichtete auch dabei.

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Februar 20, 2016, 22:29:50
Bild 48: Leerzeichen bei "er glaubt". Bild 54: ohne ich/dich.

Der Tod spielt in der Kunst und deinen Gedichten eine größere Rolle als heutzutage im Leben. Früheren Generationen war das Memento mori wichtiger.

Bild 48: Die sehr allgemeinen Überlegungen, die du anstellst, finde ich gut und wesentlicher als die Details des Bildes (wie die verfallende Burg, die unverhoffte Begegnung beim Holzsammeln usw.). 

Ich staune nur, wie schnell du mit diesen Sonetten vorankommst.

Lg g
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Februar 21, 2016, 00:24:06
Hi, Gum!

Danke für die Tipps zu den "kleinen Schlampereien", die man ab und an gern übersieht! :D

Schnelles Fortkommen - ich wundere mich selbst. Scheinbar sind Bilder für mich ein wunderbarer Katalysator für das Freisetzen von lyrischer Energie. Ich hoffe nur, die Qualität leidet nicht unter der Rasanz der Entstehung!

Vielen Dank für dein anhaltendes Interesse. :)

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: a.c.larin am Februar 21, 2016, 10:12:57
ad 18: Die Wassermühle

Wunderschönes Bild - wunderschönes Gedicht!

Was kann ich noch mehr dazu sagen ? Das eine wie das andere: In sich vollkommen und vollendet!

LG, larin
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Februar 21, 2016, 12:23:59
Hi, larin!

Frits Thaulow habe ich entdeckt, als ich im Netz nach Bildern für das erste Sonettbuch suchte. Er gilt als der Magier des spiegelnden Wassers - zurecht, wie ich finde.

Daneben sind Monsted, Shishkin, Achenbach und die Vertreter der "Hudson River School": Bierstadt, Moran und Richards meine Lieblinge in Sachen realistischer Landschaftsmalerei des 19. und frühen 20. Jhdts.

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Februar 21, 2016, 19:37:42
Bild 55: Ganz klar, dass der Heilige von seinen unterdrückten Bedürfnissen verfolgt wird.

Das Gedicht lässt ihn sich unbekehrbar in seiner Religion einigeln und einen Gefangenen der "Halbwahrheiten" sein.

Ganz in meinem Sinne: Für mich ein Lebensängstlicher, der nicht schafft, sich auf die Triebe einzulassen, sie verteufelt und seine Flucht heiligspricht.


Sehr gern gelesen, Erich.

LG gummibaum   
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Februar 21, 2016, 20:42:02
Hi, Gum!

An diesem Sonett bist DU schuld! ;D Du hast mich auf Otto Dix gebracht, und nun gefällt er mir! ;) Es kommen später noch mehr seiner Bilder!

Danke für's Feedback! Das Bild bringt es wirklich wunderbar ans Licht, wie ein verkniffener Realitäts- und Selbstverleugner all seine unbewältigten Traumata und all die verdrängten Triebe und Bedürfnisse, Erinnerungen und Träume Huckepack trägt!

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Februar 23, 2016, 20:43:30
Bild 56: Das anzuschauen, tut jeder verletzten Seele gut.

Du baust das Idyll im ersten Quartett meisterlich nach, um es im zweiten mit Blicken hinter die Kulissen infrage zu stellen, und in den Terzetten rollst du rücksichtsvoll diese Wirklichkeit wieder ein, um der Absicht zu beschönigen nicht weh zu tun.

Wundervolles, verschmitzes Hin und Her.

LG g
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Februar 23, 2016, 23:43:32
Hi, Gum!

Danke!

Eins der wenigen Sonette, wo ich mich strikt an die (einst geforderte) Einteilung halte:
1. Quartett: These
2. Quartett: Antithese
Terzette: Synthese
Normalerweise ist mir diese Form thematisch wie sprachlich zu einengend, aber hier hat es gut gepasst!

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Februar 24, 2016, 22:43:49
Bild 47: Der sich im Angesicht des Himmels selbst zerreißende Volkskörper

Deine Betrachtungen gehen vom Gesamteindruck des Bildes aus (keine Details) und zeigen gut die Beziehungen zwischen Selbstgerechtigkeit und sich weiterverebender Feindschaft und Zerstörung. Die Bundeslade heiligt alles Übel.

Bild und Text ergänzen sich vorzüglich.

LG gummibaum



       
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Februar 26, 2016, 22:02:43
Lieber Erich!

Bild 58: Den auf den Schienen Aufgespießten hast du in den Terzetten schön ausgedeutet, indem du den Zeigefinger quasi zum Zeichen eines überdauernden Fanatismus erklärt hast.

Bild 59: Vom Gedicht ausgehend habe ich mir die Katarakte mächtiger vorgestellt (ich musste sie im Bild erst suchen). Vom Bild ausgehend sehe ich das einsame Haus als mögliches Opfer im Sturm. Sonst ist alles gut getroffen. Berg heil!

Deine ungebrochene Kreativität bewundernd mit

LG gummibaum
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Februar 26, 2016, 23:41:36
Hi, Gum!

Danke für deine Gedanken! :)

Das Dali-Bild habe ich schon als Jugendlicher gekannt, damals natürlich nicht so recht verstanden, aber die Akuratesse der Darstellung des Organischen in Verbindung mit dieser surrealen Gestaltung vor einem augenscheinlich "ganz normalen" Landschaftshintergrund haben mich immer schon fasziniert.

Es stimmt, da ist nur der eine ferne Bachsturz rechts im Bild, aber meine Fantasie stand wohl "näher" oder hat hier ein wenig extrapoliert. Das eine kleine Haus im Talgrund - eher eine Scheune - schien mir zu klein, es im sonett zu erwähnen, wo der Platz durch die fixe Form ohnehin eng begrenzt ist.

Wie gesagt, auf Dix hast du mich gebracht. Mit den Ergebnissen musst du jetzt auskommen! ;) :D Ich weiß nicht, ob du das ganze Triptichon kennst, das eigentlich sogar aus vier Teilen besteht, weil es noch ein Sockelbild gibt. Auch insgesamt sehr beeindruckend, aber um der Details willen habe ich mich entschieden, nur den Mitelteil zu zeigen, denn in der Gesamtsicht ist vieles gar nicht mehr erkennbar.

Weiterhin Dank für dein anhaltendes Interesse!

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Februar 28, 2016, 10:37:33
Bild 61:Das Bild enthält in seiner Schlichtheit große Kraft.

Die Quartette gefallen mir sehr gut. Die Terzette bauen ein Kartenhaus aus irrealen Bedingungssätzen. Das simple "Egal"  verwirft die Konstruktion schon bald als unsinnig und überflüssig.

Bild 62: Literaturwissenschaft lässt viele politikenttäuschte bürgerliche Dichter im 19. Jh. Zuflucht in Heimatliebe und Natiur suchen. In der Lanschaftsmalerei dieser Zeit wird deutlich, dass diese Zuflucht durchaus neue Schätze hervorbringen kann.

Das Gedicht geht diesen Schätzen an Schönheit und Erlebnistiefe einfühlsam nach und hebt sie.

Wieder mit Freude und Begeisterung gelesen.

LG gummibaum


(Ich schreibe gerade an etwas für mein Spanischstudium und bin dichterisch inaktiv.)
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Februar 28, 2016, 14:44:38
Hi, Gum!

Danke für deine Gedanken!

Für deine Arbeit gute Wünsche - und möge dir das lyrische Blut dennoch hier in manch schöne Zeile fließen! ;) :D

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Februar 28, 2016, 17:40:59
Lieber Erich,

Bild 63: Schöner Ausflug in die Zeit des autoritären Erziehungsstils und des am Meer geweckten Freitswunsches der Kinder.

Bild 64: Die Zuneigung zwischen dem Jungen und dem Hund, die Spekulation über die Absicht der im Korb verborgenen Hand: herzerwärmend durch Sprache erneut und akzentuierter ins Bild gesetzt.

Chapeau und

LG gummibaum


p.s.: Bei lyrikern finden sich leider kaum Antworten auf die Sonette. Oder sind sie dort woanders versteckt?
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Februar 28, 2016, 19:59:55
Hi, Gum!

LyriKern ist im Grunde ein seit Jahren totes Forum. Ich nutze es als Plattform zum Dichten, weil ich dort ungestört bin.

Zum Teil lässt mich auch Wehmut verweilen, denn ich hatte das Forum damals als einer der ersten dort quasi mitbegründet (zB der Titel stammt von mir sowie einige andere Ideen). Wir wollten den untersten Durchschnitt und den Forenmüll draußen halten, der überall sonst die Fädenkanäle verkleistert, weil auch Untalentierte und Störenfriede frei von Rücksicht auf Sprache und lyrisches Feingefühl dort zu dichten versuchen. Allerdings ging der Versuch nach hinten los: Man unterstellte uns Arroganz und Herablassung, Elitendenken und eine Art lyrischen Rassismus!
Dabei ging es - mir zumindest - nur um die Schönheit der Sprache. Was soll's ...

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am Februar 28, 2016, 21:06:57
Aha, Erich. Ein paar Namen kannte ich. Diese Dichter waren früher mal bei poetry.de und dort besser als der Durchschnitt.

Die von dir avisierten Gemälde habe ich mit Interesse und vor allem mit Vorfreude auf deine Sonette angeschaut (nur Degas "Tänzerinnen" ließen sich nicht hochladen). Ich werde, falls ich noch Bilder bedichten sollte (in meinem Leben passiert ja nicht so viel Neues), kein weiteres aus dieser Liste nehmen.

LG g
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 01, 2016, 19:46:12
Hi, Gum!

Ernsthaft - das sollte in Scherz sein! Du kannst natürlich jederzeit JEDES Bild bedichten, ich habe kein Problem damit, es hinterher ebenfalls noch zu tun! ;D

Nix für ungut!

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am M?RZ 03, 2016, 21:14:38
Hallo Erich,

wieder fleißig und kreativ gewesen!

Bild/Gedicht 65: Ich habe mich zunächst gewundert, dass der Jäger nicht die Flinte, sondern die Zähne nimmt, aber dann mir fielen jagende Raubtiere ein. Die Verletzlichkeit und die aus dieser heraus genossene Geborgenheit in unbedrohten Momenten kommen gut zum Ausdruck.

Bild/Gedicht 66: Die Bundeslade aus Nr. 47 tritt wieder auf, ist jetzt aber positiv konnotiert. Der Sommer wird in all seiner Pracht beschrieben, und der Vorschlag, ihn durch intermittierendes Öffnen der Augen portionsweise zu genießen, gefällt mir besonders.

Wieder sehr genossen, die Verse!

LG gummibaum   
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Curd Belesos am M?RZ 04, 2016, 00:23:20
moin moin Erich,

ich habe mir eben das Bild  68 ausgedruckt, damit ich dein Sonett stimmig dazu lesen kann. Meine Frage mag töricht sein, aber woher nimmst du die innere Ruhe, mit der du solche ausdrucksstarke Lyrik schaffen kannst. Es macht mich sprachlos, staunen.

LG
CB



Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 04, 2016, 01:30:03
Hi, Curd!

Welch schönes Kompliment! :D

Ich habe es in den Foren schon des öfteren zu beschreiben versucht:

Es ist wie eine Art Trance. Der Auslöser ist wie hier ein Bild, ein Eindruck, ein Gefühl. Dieses fasst mein Hirn dann in schöne Sprache, wobei die Fortführung ein ständiger Wechsel aus Reimsuche, Wortsuche, Formuliervariation, Sprachmelodie und -rhythmus ist. Der rote Faden spinnt sich dabei wie von selbst fort, scheint sich aus nicht bewusst ansteuerbaren Hirnregionen zu speisen, sodass ich selbst hinterher oft vom Ergebnis überrascht bin.
Ich plane meine Gedichte nicht, sie fließen irgendwie aus mir heraus, sobald sie erst einmal gestartet sind, ca. 20-30 Minuten pro Sonett. Während der ganzen Zeit versuche ich das ursprüngliche inspirative Bild oder Gefühl verinnerlicht zu halten.

Mehr als maximal 4-6 Gedichte am Stück schaffe ich aber nicht, selbst wenn ich möchte. Es ist wie Leistungssport für's Gehirn - nach einer gewissen Zeit gerät es außer Puste! Hier sind es meist nur 2 Sonette auf einmal, das lässt sich gut auf einem DinA4-Blatt ausdrucken. Einmal waren es vier Stück hintereinander, aber das war eine Ausnahme.

Das Wichtigste aber: Es muss Spass machen! Die Laune muss stimmen, dann ergibt sich der Rest. Die längste "Pause" hat über ein halbes Jahr gedauert, wo ich gar nichts geschrieben habe, ich glaube, das war 2011. Danach ist der "Lieblingsbilder(zyklus)" entstanden, der Vorgänger zu diesem Faden.

Ich hoffe, du bist nun schlauer! ;)

LG, eKy

PS: In den letzten 10 Jahren habe ich insgesamt ca. 3 Liebesgedichte verfasst - sonst aber zu so gut wie allen Themen geschrieben. ;D 8)
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am M?RZ 06, 2016, 15:31:11
Gedicht 67:
Du gehst vom Eindruck des Hauses auf den Charakter seiner Bewohner über und (in den Terzetten) darauf, wie das Gebäude diesen Geist durch seine spezielle Bauart beschirmt hat. So strahlt das Gedicht eine schönes sich Beeinflussen und Durchdringen  von Materiellem und Immateriellem aus.

Gedicht 68:
Du hast die geschminkten Seelen der Entwurzelten sehr gut herausgearbeitert.
1970 sah ich im M.R. eine abendfüllende Oben-Ohne-Balettshow. Schämen und verbergen musste sich niemand mehr. Man konnte fast mit Kindern hingehen.

Wie immer wunderbar gedichtet, Erich.
LG gummibaum
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am M?RZ 13, 2016, 13:28:48
Ich komme leider nicht hinterher. Deine Schaffenskraft ist bewundernswert, die Einfälle sind originell und die Gedanken führen von da aus in große Tiefe.

Das Bild mit dem spiegelnden See, in dem sich das Sein eine virtuelle Existenz erschafft, gefällt mir sehr, sehr gut.

LG gummibaum

Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 13, 2016, 14:31:43
Hi, Gum!

Die finnischen Maler sind international wenig präsent, aber da gab und gibt es große Talente!

Das Aquarell "Metsälampi", das du wahrscheinlich meinst, ist ein gutes Beispiel.

In meinem Text wird aber ein Geist (Mensch) von der Spiegelwelt verführt - und als er den Spiegel stört, sprich ins Wasser steigt, ist da kein Grund, wie vorgespiegelt, und er ertrinkt. Seitdem ruft er als "echter" Geist in den sich im Winde kräuselnden Wellen aus dem See, nie wieder das Ufer erreichend.

Er fiel nicht in die Spiegelwelt, sondern mitten hindurch in die Tiefe dahinter ...

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am M?RZ 13, 2016, 18:08:32
Ja, Erich, Metsälampi. Ich kannte ihn nicht. Hab das Sonett noch einmal gelesen und sorry: beim ersten Lesen war mir der Geist dessen, der früher einmal auf festen Boden vertrauend im See versunken und in der Gegenwelt erwacht ist, entgangen.

Über das nächste, Corinths "Heimkehrende Bacchanten" und deine Abstrafung des peinlichen Lust-Opas habe ich schallend gelacht. Urkomisch und deprimierend zugleich. 

LG gummibaum
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 13, 2016, 19:32:11
Hi, Gum!

Ich bin sicher, du weißt, wie körperlich ÄHNLICH mir dieser fette alte dionysische Glatzkopf sieht: Das bin ich ohne Vollbart! ;D :o ::) >:D

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am M?RZ 16, 2016, 02:30:35
Dass ich lachen musste, zeigt, dass auch ich mich teilweise wiedererkannte. Aber Lächerlichkeit ist an Blickwinkel geknüpft. Wenn sich der Lust-Opa zum Beispiel als Aristoteles erweist, wird klar, dass sich Subtiles und Primitives oft bedingen, die Einsortierung in "gescheiterte Existenz" zu kurz greift. Überhaupt ist die moralische Brille ein Hilfsmittel, das Kurzsichtigkeit bisweilen mehr fördert als überwindet. 

LG g     
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 16, 2016, 10:20:04
Hi, Gum!

Ein interessanter Aspekt: Ist "Lust-Opa" zu sein moralisch tragbarer, wenn man Aristoteles heißt, sprich, anderweitig eine Respektsperson ist oder jemand, der als enorm wichtig für eine Gesellschaft angesehen wird? So nach dem Motto - der darf das, weil er ein Genie ist und einen Ausgleich braucht, oder weil er der König und damit ohnedies sakrosankt  ist usw...?

Jahrtausende lang wurde das so hingenommen: Wenn irgendein Kesselflicker B. sich sexuell daneben benahm, wurde er verbannt, gefoltert, eingekerkert, hingerichtet - je nach Kulturkreis und Zeitalter. Wenn ein Potentat dies tat, ein Megareicher oder ein gefeierter Held der Gemeinschaft, so wurde "weggesehen", bestenfalls erpresst, wenn möglich.

LG, eKy

PS: Habe jetzt auch Munch's "Pubertät" drangenommen (Nr. 81).

 
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: cyparis am M?RZ 17, 2016, 06:29:24
Wie ich Euch beide doch bewundere!
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am M?RZ 17, 2016, 21:19:36
Lieber Erich,

Gedicht 81 finde ich überaus gelungen und habe es mit Freude gelesen. Die Laken, die ich nicht thematisiert habe, treten hier schon als zärtliche Vorboten eines herbeigesehnten Liebhabers und dessen Körper auf. Da hast du dich wirklich gut hineingefühlt.   

LG gummibaum
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 17, 2016, 22:07:31
Hi, Cypi!

Ich weiß, wie schwer dir derzeit das Tippen fällt - hab Dank! :)


Hi, Gum!

Vielen Dank! Ich möchte unsere beiden Sichtweisen aber als lyrisch durchweg gleichwertig betrachten.


LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am M?RZ 19, 2016, 18:46:25
Hallo Erich,

Salome habe ich ja auch mal bedichtet und darum dein Sonett mit Interesse und großer Freude gelesen. Es gibt viele Gemälde zu dem Thema (ich griff auf Bernardino Luinis Bild zurück) und Stucks Ausführung kombiniert die Statik des Himmels und des Hauptes mit der Dynamik des sinnlichen Tanzes zwischen ihnen.

Mir gefallen die Wechsel und Überleitungen in deinem Sonett unglaublich gut. Salomes enttäuschte Liebe und Herodes unerfüllte Begehren verketten sich zur Greueltat. Triumpf der Macht und wilde Lust strömen hier bis in stellare Sphären. Fast müsste die letztere dort eine Supernova auslösen.  ;D

Chapeau sagt
gummibaum     


Die schrecklichen Musikanten, eine Art Rundumschlag gegen die Überheblichkeit der Dilettanten, haben mich äußerst amüsiert. Sehr gut!
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 19, 2016, 23:05:47
Hi, Gum!

Bei den Musikanten schwebten mir beim Schreiben vor allem Pharisäer und andere Strenggläubige vor, die gern die ganze Welt nach ihrer Heilsidee tanzen sähen! Verzerrte, grimassenhafte Geister, so befangen in ihrem Missklang der Verstiegenheit, dass er ihnen wie die süßeste Melodie erscheint. Fanatisch musizieren sie ihren Wahnsinn in die Welt, um alle unter ihren kruden Takt zu zwingen, ob sie lauschen wollen oder nicht.

Deine Intertpretation mit den Dilettanten gefällt mir aber auch sehr gut  - das Bild trifft dies ebenso gut, und meine Zeilen lassen sich durchaus so deuten! Schön das! :)

Beim Salomebild gefielen mir der weiß leuchtende Leib mit dieser dennoch fast sich auflösenden Kontur, wie von innen glühend von kaltem Licht, zusammen mit der nach hinten gewandten Miene mit dem abschätzigen Lächeln einer Rachsüchtigen, die sich als Sieger wähnt. Das Tierhafte des Sklaven, der den Kopf des Täufers präsentiert, konterkariert einerleits die laszive Eleganz der Wohlgestalteten, ein längeres Studieren der gehässigen Züge der Schönen aber zeigt andererseits, dass es hier, was innere Werte betrifft,  genau entgegengesetzt sein mag, bzw., dass das hässliche Äußere des Sklaven die innere Hässlichkeit der Tanzenden spiegelt.

Vielen Dank für deine profunden Zeilen! :)

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am M?RZ 24, 2016, 01:31:35
Es geht ja ungebremst voran. Ich staune nur, Erich.

Gedicht 90 ist einem der frühen Bilder v. Goghs gewidmet, die Realismus mit dem Wunsch, der Armut eine Stimme der Ehrlichkeit zu geben, verbinden. Das Sonett zeichnet die zugewandte, aber ernste Stimmung am Tisch gut nach und vermittelt, wie hier Bescheidenheit als Lebensgrundlage dient.

Mit Freude und Anteilnahme gelesen.

LG gummibaum

Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 24, 2016, 21:35:55
Hi, Gum!

Ob man die Kartoffelesser Realismus nennen kann, ist strittig. Van Gogh versuchte alte Meister nachzuahmen, vor allem wie sie mit Beleuchtung spielten, hatte aber schon - oder immer schon - diesen pastosen Pinselstrich, der schon leicht abstrahierend wirkt, vor allem in Details. Dem Werk gingen zahlreiche Studien und Skizzen voraus, und es existiert in mehreren Versionen.
Später malte van Gogh impressionistisch: Das Bild wurde in einem Zuge nach der Natur durchgemalt. Hier versucht er sich noch in der traditionellen Methode, mit jeder Menge Vorarbeit. Gerade seine handwerkliche Beschränktheit als Laie und sein persönlicher Stil machen das Gemälde für mich allerdings interessanter und lebendiger als die meisten akribisch bis ins Feinste ausgearbeiteten Werke alter Meister, die in ihrer Posenhaftigkeit starr und unlebendig auf mich wirken, dem wahren Leben so fern wie das, was sie meist darstellten: Pathetische Bibelszenen oder Legenden der Antike!

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am M?RZ 25, 2016, 17:56:16
Was ist "anstrahierend"? Ich habe viele frühe Werke v. Goghs in Amsterdam gesehen, hatte damals aber wenig Zeit, mich mit Details auseinanderzusetzen. Daher danke für deine Ausführungen.

LG g




Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 25, 2016, 18:37:23
Hi, Gum!

Welches Zeichen liegt auf deiner Tastatur gleich links neben dem "n"? - Was "anstrahierend" heißen soll, hättest du auch selber merken können! ;) ;D ::)

Ein flüchtiger Tippfehler - Wurstfinger eben! ::)

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: cyparis am M?RZ 27, 2016, 13:50:59
Lieber Erich,


ich weiß, daß Du insgeheim von mir sehr enttäuscht bist, weil ich Deine wundervollen Gedichte zu Bildern nicht gebührend zu würdigen scheine und zu wenig kommentiere.

Das hat  Gründe:
Ich würdige sie sehr wohl! Du weißt ja selbst, daß Du die Malerei kongenial in Lyrik umsetzt. Da mir Malerei niht so sehr ein seelisch-geistiges Bedürfnis ist wie die Lyrik, finde ich Deine Gedichte ausnahmslos weitaus schöner und bedeutender als die Vorlagen.
Und irgendwann gehen mir die Worte der Bewunderung aus.
Du bekommst zum Glück von anderen Poeten die gebührenden Kommentare zuhauf.

Zudem bin ich z.Z. wirklich sehr gehandicapt, v.a. nach der letzten Operation (die hoffentlich die letzte gewesen sein wird auf lange Sicht!).
Es kostet viel Kraft und Energie, wieder auf den Damm zu kommen.

Für Kurzkommentare reicht es gerade eben so, wenn die Themen nicht zu anspruchsvoll sind.

Ich drücke die Daumen, daß ich bald wieder voll "funktionsfähig" bin.
Dann laß ich auch meine Lobeshymnen wieder erschallen.

Ganz, ganz lieben Ostergruß
von
Deiner Cyparis


Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 27, 2016, 15:22:28
Hi, Cypi!

Wenn ein Teil von mir enttäuscht war, dann ein sehr kleiner, gehässig egoistischer, und auch nicht länger, als es in Gedanken kostete, deinem Leiden der letzten Monate nachzufühlen! Keine Bange - ich weiß, wie sehr du meine Zeilen verehrst (und wie wenig dies der Schreiber wert ist), und ich muss es nicht ständig hören!
Mach dir dieserhalben bloß keinen Kopf!

Dass du glaubst, dich mir erklären zu müssen, ehrt dich. Kommentiere, soviel du magst und wann immer dir danach ist - aber bitte bemühe dich nicht unter Schmerzen, nur weil du mich zu enttäuschen glaubst!

Sich verneigend, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am M?RZ 27, 2016, 16:15:05
Die 100 ist nicht mehr weit!

Am Tod des Marat habe ich mich auch schon mal versucht, es aber aufgegeben, weil das Bild selbst zu wenig hergab. Aber nun sehe ich, dass hier der Ausflug in die Geschichte lohnt, wenn er, wie bei dir, über die Fakten hinaus die tieferen Verflechtungen der beiden Charaktere und Schicksale durchdenkt.

Im Schicksal des armen Poeten finde ich mich selber, bin aber beim Lesen deines Gedichts angenehm berührt, weil du ihn nicht als Narren abtust, sondern zum Seligen aufwertest.

Alles mit Freude und Genuss gelesen.

LG gummibaum



 
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 27, 2016, 20:10:40
Hi, Gum!

Den Poeten als Narren abzutun hieße, am eigenen Ast zu sägen! ;D


Ehrlich gesagt, mir gehen langsam die "beeindruckenden" Bilder aus. Muss mich mal wieder im Internet umsehen ...


Vielen Dank für deine kundigen Gedanken! :)

LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am M?RZ 28, 2016, 16:01:40
87, 88, 94:

Hallo Erich!

Ich kenne den Mythos zu Chimera nicht, mir wäre daher vielleicht nicht augefallen, dass die Flügel zu klein sind. Aber du erzählst und reflektierst sehr interessant, wie bei dieser unzureichenden Voraussetung der Höhenflug der Liebe zum Sturzflug missrät.

Der Verwundete ist dir besonders gut gelungen. Ich habe regelrecht den Atem angehalten, so sehr wurde ich von deiner Sprache in diesen Moment vor dem Tod hineingesaugt. Die Conclusio ist -nach einer Abstand nehmenden Reflexion- allgemeingültiger, schließt alle Arten der Verwundung ein.

Der Sommertag lässt auch wohl persönliche Wünsche des Dichters zur Sprache kommen. Das Gedankenspiel um die Möglichkeit einer eigenen Familie wird aber beiseite geschoben, um nicht durch Tristesse beschwerlich zu fallen.

Auch wenn die Handschrift unverkennbar ist, hat jedes Gedicht etwas Eigenes und Unerwartetes und Kostbares.

LG gummibaum     

Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: cyparis am M?RZ 28, 2016, 16:34:02
87, 88, 94:

Hallo Erich!


Auch wenn die Handschrift unverkennbar ist, hat jedes Gedicht etwas Eigenes und Unerwartes und Kostbares.


LG gummibaum   

Dem muß ich lauthals zustimmen!

Cypi
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am M?RZ 30, 2016, 22:37:32
Wow!!! 100!!!

Tolle Leistung.  Ich werde die neuen morgen lesen und freue mich schon darauf.

LG g

Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am M?RZ 30, 2016, 23:13:02
Hi, Gum!

Die Chimaira (griechisch Χίμαιρα Chímaira, lateinisch Chimaera), eingedeutscht Chimära oder Chimäre, ist ein Mischwesen der griechischen Mythologie. Der griechische Name bedeutet eigentlich „Ziege“. Der Begriff Chimäre wurde später verallgemeinert und auf andere Mischwesen ausgedehnt.

Mythos

Die Chimaira war laut Hesiod eine Tochter der Ungeheuer Echidna und Typhon, ihre Geschwister waren die Hydra, der Kerberos, die Sphinx und Orthos. Sie lebte an dem Platz Chimaira bei Olympos in Lykien, wo sie Mensch und Tier bedrohte; dort treten seit Urzeiten als seltenes Naturphänomen Gase aus dem steinigen Boden aus, die sich entzündet haben.

Homer beschreibt die Chimaira in der Ilias als feuerspeiendes Mischwesen, das vorne wie ein Löwe, in der Mitte wie eine Ziege und hinten wie eine Schlange oder ein Drache gebildet sei. Nach Hesiod hatte sie hingegen die drei Köpfe der genannten Tiere.

König Iobates gab Bellerophon, einem Enkel des Sisyphos, den Auftrag, die Chimaira zu töten. Hierzu stellte ihm Poseidon ein anderes Mischwesen zur Verfügung: das geflügelte Pferd Pegasos. Aus der Luft konnte Bellerophon seinen Kampf gegen die Chimaira erfolgreich führen. Mit Hilfe eines Bleiklumpens auf der Spitze seines Speeres erlegte er das Ungeheuer.

Eine Chimäre ist in heutiger Bedeutung der Sprachanwendung eine Wunschvorstellung, ein Trugbild - etwas, woran wir uns klammern, auch wider besseres Wissen. Hier klammert sich eine Frau an ihre blauäugige Chimäre, ihre unrealistische Sehnsucht, die sich anschickt, den Himmel mit viel zu kleinen Flügeln zu stürmen, ohne auf den Abgrund zu achten.


Hi, Cypi!

Danke für's Vorbeischauen! :)


LG, eKy

Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am April 02, 2016, 19:48:55
Danke für die Erklärung, Erich.

In 98 reimen V1 und V4 nicht.

Die Mutter Erde (100) ist im Bild eher schwanger, ein Sätuch trägt sie nicht, und der Boden gleicht der Wüste. Aber das Gedicht ist wunderbar, indem es die kurze Lebensspanne, das darin kaum ausreifende Lebenswerk, das schnelle Verblassen der Lebensfrucht themasiert.

Kubins anderes Bild mit dem abgehalfterten Tod, hast du ebenfalls gut ausgedeutet, indem du ihn seiner Kraft in Mythen verlustig gehen lässt.

Das Eckhaus (Nr?) finde ich interessant, weil man in dem Zersplitternden auch eine einstürzende geistige Heimat am Scheitel zweier Straßenschenkel/Bewegungen der Geschichte erkennen könnte.

LG gummibaum
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am April 02, 2016, 20:45:34
Hi, Gum!

98) Uups - da wurde ich wohl vom Binnenreim in Z3 verführt (gräbt/lebt)! Vielen Dank für den Hinweis - immer auf der Zielgeraden, kurz vor dem ersehnten und erstrebten Finale, schleichen sich oft mal Flüchtigkeiten ein ...

100) Auf einem anderen, gröberen Bild, das früher datiert, wohl einer Vorskizze, sieht man deutlicher, wie sie den Samen, aus dem die Köpfe wachsen, aus den erhobenen Händen vor sich her streut. In der hier gezeigten feinen Ausführung ist das kaum mehr zu sehen, selbst wenn man es weiß und danach sucht. Das übertriebene Becken soll die Fruchtbarkeit symbolisieren.


LG, eKy
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am April 17, 2016, 23:11:07
Falls das zwischen zwei Deckel kommt, hätte ich gern ein Exemplar.

Vorfreudig
gummibaum
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am April 18, 2016, 17:17:51
Hi Gum!
 Wer kommt, kriegt ohnehin ein Gratisexemplar als Willkommensgabe!

LG, eKy

Drei Sterntalerküsse im Voraus!

GLG
Cypi
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: gummibaum am April 18, 2016, 20:17:52
Bestens!
Titel: Re: LAUTERE LYRIK
Beitrag von: Erich Kykal am Oktober 26, 2020, 20:37:51
Hi Gum!

Alles klar!  ;)

LG, eKy